Vorrede zur zweiten Ausgabe [1827]

Der geneigte Leser wird in dieser neuen Ausgabe mehrere Teile umgearbeitet und in nähere Bestimmungen entwickelt finden; dabei bin ich bemüht gewesen, das Formelle des Vortrags zu mildern und zu mindern, auch durch weitläuftigere 8/13 exoterische Anmerkungen abstrakte Begriffe dem gewöhnlichen Verständnisse und den konkreteren Vorstellungen von denselben näherzurücken. Die gedrängte Kürze, welche ein Grundriß nötig macht, in ohnehin abstrusen Materien, läßt aber dieser zweiten Auflage dieselbe Bestimmung, welche die erste hatte, zu einem Vorlesebuch zu dienen, das durch mündlichen Vortrag seine nötige Erläuterung zu erhalten hat. Der Titel einer Enzyklopädie sollte zwar anfänglich einer minderen Strenge der wissenschaftlichen Methode und einem äußerlichen Zusammenstellen Raum lassen; allein die Natur der Sache bringt es mit sich, daß der logische Zusammenhang die Grundlage bleiben mußte.

Es wären nur zu viele Veranlassungen und Anreizungen vorhanden, die es erforderlich zu machen schienen, mich über die äußere Stellung meines Philosophierens zu geistigen und geistlosen Betrieben der Zeitbildung zu erklären, was nur auf eine exoterische Weise, wie in einer Vorrede, geschehen kann; denn diese Betriebe, ob sie sich gleich ein Verhältnis zu der Philosophie geben, lassen sich nicht wissenschaftlich, somit überhaupt nicht in dieselbe ein, sondern führen von außen her und draußen ihr Gerede. Es ist mißliebig und selbst mißlich, sich auf solchen der Wissenschaft fremden Boden zu begeben, denn solches Erklären und Erörtern fördert dasjenige Verständnis nicht, um welches es allein zur wahrhaften Erkenntnis zu tun sein kann. Aber einige Erscheinungen zu besprechen mag nützlich oder vonnöten sein.

Worauf ich überhaupt in meinen philosophischen Bemühungen hingearbeitet habe und hinarbeite, ist die wissenschaftliche Erkenntnis der Wahrheit. Sie ist der schwerste Weg, aber der allein Interesse und Wert für den Geist haben kann, wenn dieser einmal auf den Weg des Gedankens sich begeben, auf demselben nicht in das Eitle verfallen ist, sondern den Willen und den Mut der Wahrheit sich bewahrt hat; er findet bald, daß die Methode allein den Gedanken zu bändigen und ihn zur Sache zu führen und darin zu erhalten vermag. Ein solches Fortführen erweist sich, selbst nichts anderes als 8/14 die Wiederherstellung desjenigen absoluten Gehalts zu sein, über welchen der Gedanke zunächst hinausstrebte und sich hinaussetzte, aber eine Wiederherstellung in dem eigentümlichsten, freisten Elemente des Geistes.

Es ist ein unbefangener, dem Anschein nach glücklicher Zustand noch nicht gar lange vorüber, wo die Philosophie Hand in Hand mit den Wissenschaften und mit der Bildung ging, eine mäßige Verstandesaufklärung sich mit dem Bedürfnisse der Einsicht und mit der Religion zugleich zufriedenstellte, ebenso ein Naturrecht sich mit Staat und Politik vertrug und empirische Physik den Namen natürlicher Philosophie führte. Der Friede war aber oberflächlich genug, und insbesondere jene Einsicht stand mit der Religion wie dieses Naturrecht mit dem Staat in der Tat in innerem Widerspruch. Es ist dann die Scheidung erfolgt, der Widerspruch hat sich entwickelt; aber in der Philosophie hat der Geist die Versöhnung seiner mit sich selbst gefeiert, so daß diese Wissenschaft nur mit jenem Widerspruche selbst und mit dessen Übertünchung im Widerspruche ist. Es gehört zu den üblen Vorurteilen, als ob sie sich im Gegensatz befände gegen eine sinnige Erfahrungskenntnis, die vernünftige Wirklichkeit des Rechts und eine unbefangene Religion und Frömmigkeit; diese Gestalten werden von der Philosophie anerkannt, ja selbst gerechtfertigt; der denkende Sinn vertieft sich vielmehr in deren Gehalt, lernt und bekräftigt sich an ihnen wie an den großen Anschauungen der Natur, der Geschichte und der Kunst; denn dieser gediegene Inhalt ist, sofern er gedacht wird, die spekulative Idee selbst. Die Kollision gegen die Philosophie tritt nur insofern ein, als dieser Boden aus seinem eigentümlichen Charakter tritt und sein Inhalt in Kategorien gefaßt und von solchen abhängig gemacht werden soll, ohne dieselben bis zum Begriff zu führen und zur Idee zu vollenden.

Das wichtige negative Resultat, in welchem sich der Verstand der allgemeinen wissenschaftlichen Bildung befindet, daß auf dem Wege des endlichen Begriffs keine Vermittlung mit der 8/15 Wahrheit möglich sei, pflegt nämlich die entgegengesetzte Folge von der zu haben, welche unmittelbar darin liegt. Jene Überzeugung hat nämlich das Interesse an der Untersuchung der Kategorien und die Aufmerksamkeit und Vorsicht in der Anwendung derselben vielmehr aufgehoben, statt die Entfernung der endlichen Verhältnisse aus dem Erkennen zu bewirken; der Gebrauch derselben ist, wie in einem Zustande der Verzweiflung, nur um so unverhohlener, bewußtloser und unkritischer geworden. Aus dem Mißverstande, daß die Unzureichendheit der endlichen Kategorien zur Wahrheit die Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis mit sich bringe, wird die Berechtigung, aus dem Gefühle und der subjektiven Meinung zu sprechen und abzusprechen, gefolgert, und an die Stelle des Beweisens treten Versicherungen und die Erzählungen von dem, was sich in dem Bewußtsein für Tatsachen vorfinden, welches für um so reiner gehalten wird, je unkritischer es ist. Auf eine so dürre Kategorie, wie die Unmittelbarkeit ist, und ohne sie weiter zu untersuchen, sollen die höchsten Bedürfnisse des Geistes gestellt und durch sie entschieden sein. Man kann, besonders wo religiöse Gegenstände abgehandelt werden, finden, daß dabei ausdrücklich das Philosophieren beiseite gelegt wird, als ob hiermit alles Übel verbannt und die Sicherung gegen Irrtum und Täuschung erlangt wäre, und dann wird die Untersuchung der Wahrheit aus irgendwoher gemachten Voraussetzungen und durch Räsonnement veranstaltet, d. i. im Gebrauch der gewöhnlichen Denkbestimmungen von Wesen und Erscheinung, Grund und Folge, Ursache und Wirkung und so fort, und in dem üblichen Schließen nach diesen und den anderen Verhältnissen der Endlichkeit vorgenommen. "Den Bösen sind sie los, das Böse ist geblieben"1) , und das Böse ist neunmal schlimmer als vorher, weil sich ihm ohne allen Verdacht und Kritik anvertraut wird; und als ob jenes Übel, das entfernt gehalten wird, die 8/16 Philosophie, etwas anderes wäre als die Untersuchung der Wahrheit, aber mit Bewußtsein über die Natur und den Wert der allen Inhalt verbindenden und bestimmenden Denkverhältnisse.

Das schlimmste Schicksal hat dabei die Philosophie selbst unter jenen Händen zu erfahren, wenn sie sich mit ihr zu tun machen und sie teils auffassen, teils beurteilen. Es ist das Faktum der physischen oder geistigen, insbesondere auch der religiösen Lebendigkeit, was durch jene es zu fassen unfähige Reflexion verunstaltet wird. Dieses Auffassen hat jedoch für sich den Sinn, erst das Faktum zu einem Gewußten zu erheben, und die Schwierigkeit liegt in diesem Übergange von der Sache zur Erkenntnis, welcher durch Nachdenken bewirkt wird. Diese Schwierigkeit ist bei der Wissenschaft selbst nicht mehr vorhanden. Denn das Faktum der Philosophie ist die schon zubereitete Erkenntnis, und das Auffassen wäre hiermit nur ein Nachdenken in dem Sinne eines nachfolgenden Denkens; erst das Beurteilen erforderte ein Nachdenken in der gewöhnlichen Bedeutung. Allein jener unkritische Verstand beweist sich ebenso ungetreu im nackten Auffassen der bestimmt ausgesprochenen Idee, er hat so wenig Arges oder Zweifel an den festen Voraussetzungen, die er enthält, daß er sogar unfähig ist, das bare Faktum der philosophischen Idee nachzusprechen. Dieser Verstand vereinigt wunderbarerweise das Gedoppelte in sich, daß ihm an der Idee die völlige Abweichung und selbst der ausdrückliche Widerspruch gegen seinen Gebrauch der Kategorien auffällt und daß ihm zugleich kein Verdacht kommt, daß eine andere Denkweise vorhanden sei und ausgeübt werde als die seinige und er hiermit anders als sonst denkend sich hier verhalten müsse. Auf solche Weise geschieht es, daß sogleich die Idee der spekulativen Philosophie in ihrer abstrakten Definition festgehalten wird, in der Meinung, daß eine Definition für sich klar und ausgemacht erscheinen müsse und nur an vorausgesetzten Vorstellungen ihren Regulator und Prüfstein habe, wenigstens in der Unwissenheit, daß der Sinn wie der not- wendige 8/17 Beweis der Definition allein in ihrer Entwicklung und darin liegt, daß sie aus dieser als Resultat hervorgeht. Indem nun näher die Idee überhaupt die konkrete, geistige Einheit ist, der Verstand aber darin besteht, die Begriffsbestimmungen nur in ihrer Abstraktion und damit in ihrer Einseitigkeit und Endlichkeit aufzufassen, so wird jene Einheit zur abstrakten geistlosen Identität gemacht, in welcher hiermit der Unterschied nicht vorhanden, sondern alles eins, unter anderem auch das Gute und Böse einerlei sei. Für spekulative Philosophie ist daher der Name Identitätssystem, Identitätsphilosophie bereits zu einem rezipierten Name geworden. Wenn jemand sein Glaubensbekenntnis ablegte: "Ich glaube an Gott den Vater, den Schöpfer Himmels und der Erde", so würde man sich wundern, wenn ein anderer schon aus diesem ersten Teile herausbrächte, daß der Bekenner an Gott den Schöpfer des Himmels glaube, also die Erde für nicht geschaffen, die Materie für ewig halte. Das Faktum ist richtig, daß jener in seinem Bekenntnis ausgesprochen hat, er glaube an Gott den Schöpfer des Himmels, und doch ist das Faktum, wie es vom anderen aufgefaßt worden, vollkommen falsch; so sehr, daß dies Beispiel für unglaublich und für trivial angesehen werden muß. Und doch ist der Fall mit dem Auffassen der philosophischen Idee diese gewaltsame Halbierung, so daß, um es nicht mißverstehen zu können, wie die Identität, welche der Versicherung nach das Prinzip der spekulativen Philosophie sei, beschaffen sei, die ausdrückliche Belehrung und respektive Widerlegung folgt, etwa daß das Subjekt vom Objekt verschieden sei, ingleichen das Endliche vom Unendlichen usf., als ob die konkret geistige Einheit in sich bestimmungslos wäre und nicht selbst den Unterschied in sich enthielte, als ob irgendein Mensch es nicht wüßte, daß das Subjekt von dem Objekte, das Unendliche von dem Endlichen verschieden sei, oder die Philosophie, in ihre Schulweisheit sich vertiefend, daran zu erinnern wäre, daß es außer der Schule die Weisheit gebe, welcher jene Verschiedenheit etwas Bekanntes sei. 8/18

Indem die Philosophie in Beziehung auf die ihr nicht bekannt sein sollende Verschiedenheit bestimmter so verunglimpft wird, daß in ihr damit auch der Unterschied des Guten und Bösen wegfalle, so pflegt gern die Billigkeit und Großmut geübt zu werden, daß zugestanden wird, 'daß die Philosophen in ihren Darstellungen die verderblichen Folgerungen, die mit ihrem Satze verbunden seien, nicht immer ( - also doch vielleicht auch deswegen nicht, weil diese Folgerungen nicht ihnen angehören - ) entwickeln'2) . Die 8/19 Philosophie muß diese Barmherzigkeit, die man ihr angedeihen lassen will, verschmähen, denn sie bedarf derselben ebensowenig zur moralischen Rechtfertigung, als es ihr an der Einsicht in die wirklichen Konsequenzen ihrer Prinzipien gebrechen kann und sowenig sie es an den ausdrücklichen Folgerungen ermangeln läßt. Ich will jene angebliche Folgerung, nach welcher die Verschiedenheit von Gut und Böse zu einem bloßen Scheine gemacht werden soll, kurz beleuchten, mehr um ein Beispiel der Hohlheit solchen Auffassens der Philosophie zu geben, als diese zu rechtfertigen. Wir wollen zu diesem Behuf selbst nur den Spinozismus vornehmen, die Philosophie, in welcher Gott nur als Substanz und nicht als Subjekt und Geist bestimmt wird. Dieser 8/20 Unterschied betrifft die Bestimmung der Einheit; hierauf kommt es allein an, doch wissen von dieser Bestimmung, obgleich sie Faktum ist, diejenigen nichts, welche die Philosophie Identitätssystem zu nennen pflegen und gar den Ausdruck gebrauchen mögen, daß nach derselben alles eins und dasselbe, auch Gut und Böse gleich sei, - welches alles die schlechtesten Weisen der Einheit sind, von welchen in spekulativer Philosophie die Rede nicht sein, sondern nur ein noch barbarisches Denken bei Ideen Gebrauch machen kann. Was nun die Angabe betrifft, daß in jener Philosophie an sich oder eigentlich die Verschiedenheit von Gut und Böse nicht gelte, so ist zu fragen, was denn dies "eigentlich" heiße? Heißt es die Natur Gottes, so wird doch nicht verlangt werden, daß in dieselbe das Böse verlegt werde; jene substantielle Einheit ist das Gute selbst; das Böse ist nur Entzweiung; in jener Einheit ist hiermit nichts weniger als eine Einerleiheit des Guten und des Bösen, das letztere vielmehr ausgeschlossen. Damit ist in Gott als solchem ebensowenig der Unterschied von Gut und Böse; denn dieser Unterschied ist nur im Entzweiten, einem solchen, in welchem das Böse selbst ist. Weiter kommt nun im Spinozismus auch der Unterschied vor: der Mensch verschieden von Gott. Das System mag nach dieser Seite theoretisch nicht befriedigen; denn der Mensch und das Endliche überhaupt, mag es nachher auch zum Modus herabgesetzt werden, findet sich in der Betrachtung nur neben der Substanz ein. Hier nun, im Menschen, wo der Unterschied existiert, ist es, daß derselbe auch wesentlich als der Unterschied des Guten und Bösen existiert, und hier nur ist es, wo er eigentlich ist, denn hier ist nur die eigentümliche Bestimmung desselben. Hat man beim Spinozismus nur die Substanz vor Augen, so ist in ihr freilich kein Unterschied des Guten und Bösen, aber darum, weil das Böse, wie das Endliche und die Welt überhaupt (s. § 50 Anm. S. 132), auf diesem Standpunkte gar nicht ist. Hat man aber den Standpunkt vor Augen, auf welchem in diesem Systeme auch der Mensch und das Verhältnis des Menschen 8/21 zur Substanz vorkommt und wo nur das Böse im Unterschied desselben vom Guten seine Stelle haben kann, so muß man die Teile der Ethik nachgesehen haben, welche von demselben, von den Affekten, der menschlichen Knechtschaft und der menschlichen Freiheit handeln, um von den moralischen Folgerungen des Systems erzählen zu können. Ohne Zweifel wird man sich von der hohen Reinheit dieser Moral, deren Prinzip die lautere Liebe Gottes ist, ebensosehr als davon überzeugen, daß diese Reinheit der Moral Konsequenz des Systems ist. Lessing sagte zu seiner Zeit: die Leute gehen mit Spinoza wie mit einem toten Hunde um; man kann nicht sagen, daß in neuerer Zeit mit dem Spinozismus und dann überhaupt mit spekulativer Philosophie besser umgegangen werde, wenn man sieht, daß diejenigen, welche davon referieren und urteilen, sich nicht einmal bemühen, die Fakta richtig zu fassen und sie richtig anzugeben und zu erzählen. Es wäre dies das Minimum von Gerechtigkeit, und ein solches doch könnte sie auf allen Fall fordern.

Die Geschichte der Philosophie ist die Geschichte der Entdeckung der Gedanken über das Absolute, das ihr Gegenstand ist. So hat z. B. Sokrates, kann man sagen, die Bestimmung des Zwecks entdeckt, welche von Platon und insbesondere von Aristoteles ausgebildet und bestimmt erkannt worden ist. Bruckers Geschichte der Philosophie3)  so unkritisch, nicht nur nach dem Äußerlichen des Geschichtlichen, sondern nach der Angabe der Gedanken, daß man von den älteren griechischen Philosophen zwanzig, dreißig und mehr Sätze als deren Philosopheme aufgeführt findet, von denen ihnen kein einziger angehört. Es sind Folgerungen, welche Brucker nach der schlechten Metaphysik seiner Zeit macht und jenen Philosophen als ihre Behauptung andichtet. Folgerungen sind von zweierlei Art, teils nur Ausführungen eines Prinzips in weiteres Detail herunter, 8/22 teils aber ein Rückgang zu tieferen Prinzipien; das Geschichtliche besteht eben darin, anzugeben, welchen Individuen eine solche weitere Vertiefung des Gedankens und die Enthüllung derselben angehöre. Aber jenes Verfahren ist nicht bloß darum ungehörig, weil jene Philosophen die Konsequenzen, die in ihren Prinzipien liegen sollen, nicht selbst gezogen und also nur nicht ausdrücklich ausgesprochen haben, sondern vielmehr weil ihnen bei solchem Schließen ein Geltenlassen und ein Gebrauch von Gedankenverhältnissen der Endlichkeit geradezu angemutet wird, die dem Sinne der Philosophen, welche spekulativen Geistes waren, geradezu zuwider sind und die philosophische Idee vielmehr nur verunreinigen und verfälschen. Wenn bei alten Philosophien, von denen uns nur wenige Sätze berichtet sind, solche Verfälschung die Entschuldigung des vermeintlichen richtigen Schließens hat, so fällt sie bei einer Philosophie hinweg, welche ihre Idee selbst teils in die bestimmten Gedanken gefaßt, teils den Wert der Kategorien ausdrücklich untersucht und bestimmt hat, wenn dessenungeachtet die Idee verstümmelt aufgefaßt, aus der Darstellung nur ein Moment herausgenommen und (wie die Identität) für die Totalität ausgegeben wird, und wenn die Kategorien ganz unbefangen nach der nächsten besten Weise, wie sie das alltägliche Bewußtsein durchziehen, in ihrer Einseitigkeit und Unwahrheit hereingebracht werden. Die gebildete Erkenntnis der Gedankenverhältnisse ist die erste Bedingung, ein philosophisches Faktum richtig aufzufassen. Aber die Roheit des Gedankens wird ausdrücklich durch das Prinzip des unmittelbaren Wissens nicht nur berechtigt, sondern zum Gesetz gemacht; die Erkenntnis der Gedanken und damit die Bildung des subjektiven Denkens ist sowenig ein unmittelbares Wissen als irgendeine Wissenschaft oder Kunst und Geschicklichkeit.

Die Religion ist die Art und Weise des Bewußtseins, wie die Wahrheit für alle Menschen, für die Menschen aller Bildung ist; die wissenschaftliche Erkenntnis der Wahrheit aber ist eine besondere Art ihres Bewußtseins, deren Arbeit sich nicht 8/23 alle, vielmehr nur wenige unterziehen. Der Gehalt ist derselbe, aber wie Homer von einigen Dingen sagt, daß sie zwei Namen haben, den einen in der Sprache der Götter, den anderen in der Sprache der übertägigen Menschen, so gibt es für jenen Gehalt zwei Sprachen, die eine des Gefühls, der Vorstellung und des verständigen, in endlichen Kategorien und einseitigen Abstraktionen nistenden Denkens, die andere des konkreten Begriffs. Wenn man von der Religion aus auch die Philosophie besprechen und beurteilen will, so ist mehr erforderlich, als nur die Gewohnheit der Sprache des übertägigen Bewußtseins zu haben. Das Fundament der wissenschaftlichen Erkenntnis ist der innere Gehalt, die inwohnende Idee und deren im Geiste rege Lebendigkeit, wie nicht weniger die Religion ein durchgearbeitetes Gemüt, ein zur Besinnung erwachter Geist, ausgebildeter Gehalt ist. In der neuesten Zeit hat die Religion immer mehr die gebildete Ausdehnung ihres Inhalts zusammengezogen und sich in das Intensive der Frömmigkeit oder des Gefühls, und zwar oft eines solchen, das einen sehr dürftigen und kahlen Gehalt manifestiert, zurückgezogen. Solange sie ein Credo, eine Lehre, eine Dogmatik hat, so hat sie das, mit dem die Philosophie sich beschäftigen und in dem diese als solche sich mit der Religion vereinigen kann. Dies ist jedoch wieder nicht nach dem trennenden, schlechten Verstande zu nehmen, dem die moderne Religiosität befangen ist und nach welchem sie beide so vorstellt, daß die eine die andere ausschließe oder sie überhaupt so trennbar seien, daß sie sich dann nur von außen her verbinden. Vielmehr liegt auch in dem Bisherigen, daß die Religion wohl ohne Philosophie, aber die Philosophie nicht ohne Religion sein kann, sondern diese vielmehr in sich schließt. Die wahrhafte Religion, die Religion des Geistes, muß ein solches Credo, einen Inhalt haben; der Geist ist wesentlich Bewußtsein, somit von dem gegenständlich gemachten Inhalt; als Gefühl ist er der ungegenständliche Inhalt selbst (qualiert nur, um einen J. Böhmeschen Ausdruck zu gebrauchen) und nur die niedrigste Stufe des 8/24 Bewußtseins, ja in der mit dem Tiere gemeinschaftlichen Form der Seele. Das Denken macht die Seele, womit auch das Tier begabt ist, erst zum Geiste, und die Philosophie ist nur ein Bewußtsein über jenen Inhalt, den Geist und seine Wahrheit, auch in der Gestalt und Weise jener seiner, ihn vom Tier unterscheidenden und der Religion fähig machenden Wesenheit. Die kontrakte, auf das Herz sich punktualisierende Religiosität muß dessen Zerknirschung und Zermürbung zum wesentlichen Momente seiner Wiedergeburt machen; sie müßte aber sich zugleich erinnern, daß sie es mit dem Herzen eines Geistes zu tun hat, der Geist zur Macht des Herzens bestellt ist und diese Macht nur sein kann, insofern er selbst wiedergeboren ist. Diese Wiedergeburt des Geistes aus der natürlichen Unwissenheit sowohl als dem natürlichen Irrtum geschieht durch Unterricht und den durch das Zeugnis des Geistes erfolgenden Glauben der objektiven Wahrheit, des Inhaltes. Diese Wiedergeburt des Geistes ist unter anderem auch unmittelbar Wiedergeburt des Herzens aus der Eitelkeit des einseitigen Verstandes, auf den es pocht, dergleichen zu wissen, wie daß das Endliche von dem Unendlichen verschieden sei, die Philosophie entweder Vielgötterei oder in scharfdenkenden Geistern Pantheismus sein müsse, usf., - die Wiedergeburt aus solchen jämmerlichen Einsichten, auf welchen die fromme Demut gegen Philosophie wie gegen theologische Erkenntnis hoch herfährt. Verharrt die Religiosität bei ihrer expansions- und damit geistlosen Intensität, so weiß sie freilich nur von dem Gegensatze dieser ihrer bornierten und bornierenden Form gegen die geistige Expansion religiöser Lehre als solcher, wie philosophischer.4)  Nicht nur aber beschränkt der denkende Geist 8/25 sich nicht auf die Befriedigung in der reineren, unbefangenen Religiosität, sondern jener Standpunkt ist an ihm selbst ein aus Reflexion und Räsonnement hervorgegangenes Resultat; es ist mit Hilfe oberflächlichen Verstandes, daß er sich diese vornehme Befreiung von so gut als aller Lehre verschafft 8/26 hat, und indem er das Denken, von dem er angesteckt ist, zum Eifern gegen Philosophie gebraucht, ist es, daß er sich auf der dünnen inhaltslosen Spitze eines abstrakten Gefühlszustandes gewaltsam erhält. - Ich kann mich nicht enthalten, die Paränesis des Herrn Franz von Baader über eine solche Gestaltung der Frömmigkeit auszugsweise anzuführen, aus den Fermenta Cognitionis, 5. Heft [1823], Vorr. S. IX f.

"Solange", sagt er, "der Religion, ihren Doktrinen, nicht wieder von Seite der Wissenschaft eine auf freies Forschen und sohin auf wahrhafte Überzeugung gegründete Achtung verschafft worden sein wird, ... so lange werdet ihr, Fromme und Nichtfromme, mit all euren Geboten und Verboten, mit all eurem Gerede und Tun ... dem Übel nicht abhelfen, und so lange wird auch diese nicht geachtete Religion nicht geliebt werden, weil man doch nur herzhaft und aufrichtig lieben kann, was man aufrichtig geachtet sieht und als achtbar unbezweifelt erkennt, so wie der Religion auch nur mit einem solchen amor generosus gedient sein kann ... - Mit anderen Worten: wollt ihr, daß die Praxis der Religion wieder gedeihe, so sorgt doch dafür, daß wir wieder zu einer vernünftigen Theorie derselben gelangen, und räumt nicht euren Gegnern (den Atheisten) vollends das Feld mit jener unvernünftigen und blasphemischen Behauptung: daß an eine solche Religionstheorie, als an eine unmögliche Sache, durchaus nicht zu denken, daß die Religion bloße Herzensache sei, bei der man des Kopfes sich füglich entäußern könne, ja müsse."5) 

In Ansehung der Dürftigkeit an Inhalt kann noch bemerkt 8/27 werden, daß von ihr nur als der Erscheinung an dem äußerlichen Zustande der Religion zu einer besonderen Zeit die Rede sein kann. Eine solche Zeit könnte beklagt werden, wenn es solche Not tut, nur den bloßen Glauben an Gott hervorzubringen, was dem edlen Jacobi so angelegentlich war, und weiter nur noch eine konzentrierte Christlichkeit der Empfindung zu erwecken; die höheren Prinzipien sind zugleich nicht zu verkennen, die selbst darin sich kundgeben (s. Einleitung zur Logik § 64 Anm.). Aber vor der Wissenschaft liegt der reiche Inhalt, den Jahrhunderte und Jahrtausende der erkennenden Tätigkeit vor sich gebracht haben, und vor ihr liegt er nicht als etwas Historisches, das nur andere besessen und für uns ein Vergangenes, nur eine Beschäftigung zur Kenntnis des Gedächtnisses und für den Scharfsinn des Kritisierens der Erzählungen, nicht für die Erkenntnis des Geistes und das Interesse der Wahrheit wäre. Das Erhabenste, Tiefste und Innerste ist zu Tage gefördert worden in den Religionen, Philosophien und Werken der Kunst, in reinerer und unreinerer, klarerer und trüberer, oft sehr abschreckender Gestalt. Es ist für ein besonderes Verdienst zu achten, daß Herr Franz von Baader fortfährt, solche Formen nicht nur in Erinnerung, sondern mit tief spekulativem Geiste ihren Gehalt ausdrücklich zu wissenschaftlichen Ehren zu bringen, indem er die philosophische Idee aus ihnen exponiert und erhärtet. Jakob Böhmes Tiefe gewährt insbesondere hierfür Gelegenheit und Formen. Diesem gewaltigen Geiste ist mit Recht der Name philosophus teutonicus zugelegt worden; er hat den Gehalt der Religion teils für sich zur allgemeinen Idee erweitert, in demselben die höchsten Probleme der Vernunft konzipiert und Geist und Natur in ihren bestimmteren Sphären und Gestaltungen darin zu fassen gesucht, indem er zur Grundlage nahm, daß nach dem Ebenbilde Gottes, freilich keine anderen als des dreieinigen, der Geist des Menschen und alle Dinge geschaffen und nur dies Leben sind, aus dem Verlust ihres Urbildes dazu reintegriert zu werden; teils hat er umgekehrt 8/28 die Formen der natürlichen Dinge (Schwefel, Salpeter usf., das Herbe, Bittre usf.) gewaltsam zu geistigen und Gedankenformen verwendet. Die Gnosis des Herrn von Baader, welche sich an dergleichen Gestaltungen anschließt, ist eine eigentümliche Weise, das philosophische Interesse anzuzünden und zu befördern; sie stellt sich kräftig ebensosehr der Beruhigung bei der inhaltsleeren Kahlheit der Aufklärerei als der nur intensiv bleiben wollenden Frömmigkeit entgegen. Herr von Baader beweist dabei in allen seinen Schriften, daß er entfernt davon ist, diese Gnosis für die ausschließende Weise der Erkenntnis zu nehmen. Sie hat für sich ihre Unbequemlichkeiten, ihre Metaphysik treibt sich nicht zur Betrachtung der Kategorien selbst und zur methodischen Entwicklung des Inhalts fort; sie leidet an der Unangemessenheit des Begriffs zu solchen wilden oder geistreichen Formen und Gestaltungen; so wie sie überhaupt daran leidet, daß sie den absoluten Inhalt als Voraussetzung hat und aus derselben erklärt, räsoniert und widerlegt.6)  8/29

An reineren und trüberen Gestaltungen der Wahrheit haben wir, kann man sagen, genug und zum Überfluß, - in den Religionen und Mythologien, in gnostischen und mystizierenden Philosophien älterer und neuerer Zeit; man kann seine Freude daran haben, die Entdeckung der Idee in diese Gestaltungen zu machen und die Befriedigung daraus zu gewinnen, daß die philosophische Wahrheit nicht etwas nur Einsames, sondern darin die Wirksamkeit derselben wenigstens als Gärung vorhanden gewesen. Wenn aber der Dünkel der Unreife, wie dies bei einem Nachahmer des Herrn von Baader der Fall war, an das Aufwärmen solcher Produktionen der Gärung gerät, so erhebt er sich leicht in seiner Trägheit und Unfähigkeit wissenschaftlichen Denkens solche Gnosis zur ausschließenden Weise des Erkennens; denn es ist müheloser, in solchen Gebilden sich zu ergehen und an sie assertorische Philosopheme anzuknüpfen, als die Entwicklung des Begriffs zu übernehmen und sein Denken, wie sein Gemüt, der logischen Notwendigkeit desselben zu unterwerfen. Auch liegt dem Dünkel nahe, sich das als Entdeckung zuzuschreiben, was er von anderen erlernt hat, und er glaubt dies um so leichter, wenn er sie bekämpft oder herabsetzt, oder in vielmehr darum gereizt gegen sie, weil er seine Einsichten aus ihnen geschöpft hat.

Wie in den Zeiterscheinungen, auf welche wir in diesem Vorwort 8/30 Rücksicht genommen, sich der Drang des Denkens, obgleich verunstaltet, ankündigt, so ist es an und für sich für den zu der Höhe des Geistes gebildeten Gedanken selbst und für seine Zeit Bedürfnis und darum unserer Wissenschaft allein würdig, daß das, was früher als Mysterium geoffenbart worden, aber in den reineren und noch mehr in den trüberen Gestaltungen seiner Offenbarung dem formellen Gedanken ein Geheimnisvolles bleibt, für das Denken selbst geoffenbart werde, welches in dem absoluten Rechte seiner Freiheit die Hartnäckigkeit behauptet, mit dem gediegenen Inhalte sich nur zu versöhnen, insofern dieser sich die seiner selbst zugleich würdigste Gestalt, die des Begriffs, der Notwendigkeit, welche alles, Inhalt wie Gedanken, bindet und eben darin frei macht, zu geben gewußt hat. Soll Altes erneut werden, d. i. eine alte Gestaltung, denn der Gehalt selbst ist ewig jung, so ist die Gestaltung der Idee etwa, wie sie ihr Platon und viel tiefer Aristoteles gegeben, der Erinnerung unendlich würdiger, auch darum, weil die Enthüllung derselben durch Aneignung an unsere Gedankenbildung unmittelbar nicht nur ein Verstehen derselben, sondern ein Fortschreiten der Wissenschaft selbst ist. Aber solche Formen der Idee zu verstehen, liegt gleichfalls nicht so auf der Oberfläche, als gnostische und kabbalistische Phantasmagorien zu fassen, und noch weniger macht es sich so von selbst, jene fortzubilden, als in diesen Anklänge der Idee zu weisen oder anzudeuten.

Wie von dem Wahren richtig gesagt worden, daß es index sui et falsi sei, vom Falschen aus aber das Wahre nicht gewußt wird, so ist der Begriff das Verstehen seiner selbst und der begrifflosen Gestalt, aber diese versteht von ihrer inneren Wahrheit aus nicht jenen. Die Wissenschaft versteht das Gefühl und den Glauben, sie kann aber nur aus dem Begriffe, als auf welchem sie beruht, beurteilt werden, und da sie dessen Selbstentwicklung ist, so ist eine Beurteilung derselben aus dem Begriffe nicht sowohl ein Urteilen über sie als ein Mitfortschreiten. Solches Urteilen muß ich auch 8/31 diesem Versuche wünschen, wie ich ein solches nur achten und beachten kann.

Berlin, den 25. Mai 1827

1) vgl. Faust, I. Teil, Hexenküche, V. 2509: "Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben."

2) *Worte Herrn Tholucks in der Blütensammlung aus der morgenländischen Mystik [Berlin 1825], S. 13. Auch der tieffühlende Tholuck läßt sich daselbst verleiten, der gewöhnlichen Heerstraße des Auffassens der Philosophie zu folgen. Der Verstand könne, sagt er, nur auf folgende zwei Arten schließen: entweder gebe es einen alles bedingenden Urgrund, so liege auch der letzte Grund meiner selbst in ihm, und mein Sein und freies Handeln seien nur Täuschung; oder bin ich wirklich ein vom Urgrunde verschiedenes Wesen, dessen Handeln nicht von dem Urgrunde bedingt und bewirkt wird, so ist der Urgrund kein absolutes, alles bedingendes Wesen, also gebe es keinen unendlichen Gott, sondern eine Menge Götter usf. Zu dem ersteren Satze sollen sich alle tiefer und schärfer denkenden Philosophen bekennen (ich wüßte eben nicht, warum die erstere Einseitigkeit tiefer und schärfer sein sollte als die zweite); die Folgen, die sie obenerwähntermaßen jedoch nicht immer entwickeln, seien ,daß auch der sittliche Maßstab des Menschen kein absolut wahrer ist, sondern eigentlich (ist vom Verf. selbst unterstrichen) Gut und Böse gleich und nur dem Schein nach verschieden sei'. Man würde immer besser tun, über Philosophie gar nicht zu sprechen, solange man bei aller Tiefe des Gefühls noch so sehr in der Einseitigkeit des Verstandes befangen ist, um nur von dem Entweder- Oder eines Urgrundes, in dem das individuelle Sein und dessen Freiheit nur eine Täuschung, und der absoluten Selbständigkeit der Individuen zu wissen und von dem Weder-Noch dieser beiden Einseitigkeiten des, wie es Herr Tholuck nennt, gefährlichen Dilemmas nichts in Erfahrung gebracht zu haben. Zwar spricht er S. 14 von solchen Geistern, und diese seien die eigentlichen Philosophen, welche den zweiten Satz (dies ist doch wohl dasselbe, was vorher der erste Satz hieß) annehmen und den Gegensatz von unbedingtem und bedingtem Sein durch das indifferente Ursein, in welchem alle beziehungsweisen Gegensätze sich durchdringen, aufheben. Bemerkte denn aber Herr Tholuck, indem er so spricht, nicht, daß das indifferente Ursein, in welchem der Gegensatz sich durchdringen soll, mit jenem unbedingten Sein, dessen Einseitigkeit aufgehoben werden sollte, ganz dasselbe ist und daß er so in einem Atemzug das Aufheben jenes Einseitigen in einem solchen, welches genau eben dieses Einseitige ist, also statt des Aufhebens das Bestehenlassen der Einseitigkeit ausspricht? Wenn man das sagen will, was Geister tun, so muß man mit Geist das Faktum aufzufassen vermögen; sonst ist unter der Hand das Faktum falsch geworden. - Übrigens bemerke ich zum Überfluß, daß, was hier und weiterhin über Herrn Tholucks Vorstellung von der Philosophie gesagt ist, sozusagen nicht individuell über ihn sein kann und soll; man liest dasselbe in hundert Büchern, unter anderem besonders in den Vorreden der Theologen. Herrn Tholucks Darstellung habe ich angeführt, teils weil sie mir zufällig am nächsten, teils weil das tiefe Gefühl, das seine Schriften auf die ganz andere Seite von der Verstandes-Theologie zu stellen scheint, dem Tiefsinn am nächsten steht; denn die Grundbestimmung desselben, die Versöhnung, die nicht das unbedingte Ursein und dergleichen Abstraktum ist, ist der Gehalt selbst, der die spekulative Idee ist und den sie denkend ausdrückt, - ein Gehalt, den jener tiefe Sinn am wenigsten in der Idee verkennen müßte.
Aber es geschieht Herrn Tholuck ebendaselbst wie überall anderwärts in seinen Schriften, sich auch in das gang und gäbe Gerede von dem Pantheismus gehen zu lassen, worüber ich in einer der letzten Anmerkungen [zu § 573] der Enzyklopädie weitläufiger gesprochen habe. Ich bemerke hier nur die eigentümliche Ungeschicklichkeit und Verkehrung, in die Herr Tholuck verfällt. Indem er auf die eine Seite seines vermeintlich philosophischen Dilemmas den Urgrund stellt und dieselbe nachher S. 33, 38 als pantheistisch bezeichnet, so charakterisiert er die andere als die, Sozinianer, Pelagianer und Popularphilosophen so, daß es auf derselben, keinen unendlichen Gott, sondern eine große Anzahl Götter gebe, nämlich die Zahl aller derer Wesen, die von dem sogenannten Urgrunde verschieden sind und ein eignes Sein und Handeln haben, nebst jenem sogenannten Urgrunde'. In der Tat gibt es so auf dieser Seite nicht bloß eine große Anzahl von Göttern, sondern Alles (alles Endliche gilt hier dafür ein eigenes Sein zu haben) sind Götter; auf dieser Seite hat Herr Tholuck hiermit in der Tat seine Allesgötterei, seinen Pantheismus ausdrücklich nicht auf der ersten, zu deren Gott er ausdrücklich den einen Urgrund macht, wo somit nur Monotheismus ist.

3) Johann Jakob Brucker, Historia critica philosophiae, Leipzig 1742-1744, 5 Bde.; neue Aufl. 1766, Appendix 1767.

4) *Um noch einmal auf Herrn Tholuck zurückzukommen, der als der begeisterte Repräsentant pietistischer Richtung angesehen werden kann, so ist der Mangel an einer Lehre in seiner Schrift Die Lehre von der Sünde, 2. Aufl. [Hamburg 1825] (die mir soeben unter die Augen gekommen) ausgezeichnet. Es war mir dessen Behandlung der Trinitätslehre in seiner Schrift Die spekulative Trinitätslehre des späteren Orients [Berlin 1826], für deren fleißig hervorgezogene historische Notizen ich ihm ernstlichen Dank weiß, aufgefallen; er nennt diese Lehre eine scholastische Lehre; auf allen Fall ist sie viel älter als das, was man scholastisch heißt; er betrachtet sie allein nach der äußerlichen Seite eines vermeintlich nur historischen Entstehens aus Spekulation über biblische Stellen und unter dem Einflusse platonischer und aristotelischer Philosophie (S. 41). Aber in der Schrift über die Sünde geht er, man möchte sagen, cavalièrement mit diesem Dogma um, indem er es nur für fähig erklärt, ein Fachwerk, zu sein, darin sich die Glaubenslehren (welche?) ordnen lassen (S. 220), ja man muß auch den Ausdruck (S. 219) auf dies Dogma ziehen, daß es den am Ufer (etwa im Sande des Geistes?) Stehenden als eine Fata Morgana erscheine. Aber "ein Fundament" (so vom Dreifuß spricht Herr Tholuck ebenda S. 221) ist die Trinitätslehre "nimmermehr, auf das der Glaube gegründet werden kann". Ist diese Lehre, als die heiligste, nicht von jeher - oder seit wie lange wenigstens? - der Hauptinhalt des Glaubens selbst als Credo und dieses Credo das Fundament des subjektive Glaubens gewesen? Wie kann ohne dieses Dogma die Versöhnungslehre, die Herr Tholuck in der angeführten Schrift mit so viel Energie an d. Gefühl zu bringen sucht, einen mehr als moralischen oder, wenn man will, heidnischen, wie kann sie einen christlichen Sinn haben? Auch von anderen spezielleren Dogmen findet sich nichts in dieser Schrift; Herr Tholuck führt seine Leser z. B. immer nur bis zum Leiden und Tod Christi, aber nicht zu seiner Auferstehung und Erhebung zur Rechten des Vaters, noch bis zur Ausgießung des Heiligen Geistes. Eine Hauptbestimmung in der Versöhnungslehre ist die Sündenstrafe; diese ist bei Herrn Tholuck S. 119 ff. das lastende Selbstbewußtsein und die damit verbundene Unseligkeit, in welcher alle sind, die außer Gott leben, dem alleinigen Quell der Seligkeit wie der Heiligkeit; so daß Sünde, Schuldbewußtsein und Unseligkeit nicht ohne einander gedacht werden können (hier kommt es also auch zum Denken, wie S. 120 auch die Bestimmungen als aus der Natur Gottes fließend aufgezeigt werden). Diese Bestimmung der Sündenstrafe ist das, was man die natürliche Strafe der Sünde genannt hat und was (wie die Gleichgültigkeit gegen die Trinitätslehre) das Resultat und die Lehre der von Herrn Tholuck sonst so sehr verschrieenen Vernunft und Aufklärung ist. - Vor einiger Zeit fiel im Oberhause des englischen Parlaments eine Bill durch, welche die Sekte der Unitarier betraf; bei dieser Veranlassung gab ein englisches Blatt eine Notiz über die große Anzahl der Unitarier in Europa und in Amerika und fügt dann hinzu: "Auf dem europäischen Kontinent ist Protestantismus und Unitarianismus gegenwärtig meist synonym." Theologen mögen entscheiden, ob Herrn Tholucks Dogmatik sich in noch mehr als in einem oder höchstens zwei Punkten und, wenn sie näher angesehen werden, ob selbst in diesen nicht, von der gewöhnlichen Theorie der Aufklärung unterscheidet.

5) *Herr Tholuck zitiert mehreremal Stellen aus Anselms Traktat Cur Deus homo und rühmt S. 127 [Die Lehre von der Sünde] "die tiefe Demut dieses großen Denkers"; warum bedenkt und führt er nicht auch die (zu § 77 der Enzyklopädie S. 167 zitierte) Stelle aus demselben Traktat an: "Negligentiae mihi videtur si ... non studemus quod credimus, intelligere." - Wenn freilich das Credo kaum auf etliche wenige Artikel eingeschrumpft ist, bleibt wenig Stoff zu erkennen übrig und kann aus der Erkenntnis wenig werden.

6) *Es muß mir erwünscht sein, sowohl durch den Inhalt der mehreren neuerlichen Schriften des Herrn von Baader, als in den namentlichen Erwähnungen vieler meiner Sätze die Zustimmung desselben zu denselben zu ersehen; über das meiste dessen oder leicht alles, was er bestreitet, würde es nicht schwer sein, mich ihm zu verständigen, nämlich zu zeigen, daß es in der Tat nicht von seinen Absichten abweicht. Nur einen Tadel, der in den Bemerkungen über einige antireligiöse Philosopheme unserer Zeit, 1824, S. 5, vgl. S. 56 ff. vorkommt, will ich berühren: es wird daselbst von einem Philosophem gesprochen, welches, aus der Schule der Naturphilosophie hervorgegangen einen falschen Begriff von der Materie aufstelle, "indem es von dem vergänglichen und die Verderbnis in sich bergenden Wesen dieser Welt behauptet, daß solches, unmittelbar und ewig aus Gott hervorgegangen und -gehend, als der ewige Ausgang (Entäußerung) Gottes dessen ewigen Wiedereingang (als Geist) ewig bedinge". Was den ersten Teil dieser Vorstellung betrifft, von dem Hervorgehen (dies ist überhaupt eine Kategorie, die ich nicht gebrauche, indem sie nur ein bildlicher Ausdruck, keine Kategorie ist) der Materie aus Gott, so sehe ich nicht anderes, als daß dieser Satz in der Bestimmung, daß Gott der Schöpfer der Welt ist, enthalten ist; was aber den anderen Teil betrifft, daß der ewige Ausgang den Wiedereingang Gottes als Geist bedinge, so setzt Herr von Baader das Bedingen an diese Stelle, eine teils an und für sich ungehörige und von mir ebensowenig für diese Beziehung gebrauchte Kategorie; ich erinnere an das, was ich oben über die unkritische Vertauschung der Gedankenbestimmungen bemerkt habe. Das unmittelbare oder vermittelte Hervorgehen der Materie aber zu erörtern, führte nur auf ganz formelle Bestimmungen. Was Herr von Baader selbst S. 54 ff. über den Begriff der Materie angibt, sehe ich nicht für abweichend von meinen Bestimmungen, dieselbe betreffend, an; so wie ich nicht verstehe, welche Abhilfe für die absolute Aufgabe, die Schöpfung der Welt als Begriff zu fassen, in dem liege, was Herr von Baader S. 58 angibt, daß die Materie "nicht das unmittelbare Produkt der Einheit, sondern jenes ihrer Prinzipien (Bevollmächtigten, Elohim) sei, welche sie zu diesem Zwecke hervorrief". Ist der Sinn dieser (denn nach der grammatischen Stellung ist er nicht völlig klar), daß die Materie das Produkt der Prinzipien sei, oder dieser, daß die Materie sich diese Elohim hervorgerufen und sich von ihnen habe produzieren lassen, so müssen jene Elohim oder aber dieser ganze Kreis zusammen in eine Beziehung zu Gott gesetzt werden, welche durch das Einschieben von Elohim nicht aufgehellt wird.