c. Das Ding
§ 125

Das Ding ist die Totalität als die in Einem gesetzte Entwicklung der Bestimmungen des Grundes und der Existenz. Es hat nach dem einen seiner Momente, der Reflexion-in-Anderes, die Unterschiede an ihm, wonach es ein bestimmtes und konkretes Ding ist. α) Diese Bestimmungen sind voneinander verschieden; an dem Dinge, nicht an ihnen selbst, haben sie ihre Reflexion-in-sich. Sie sind Eigenschaften des Dings, und ihre Beziehung auf dasselbe ist das Haben.

Haben tritt als Beziehung an die Stelle des Seins. Etwas hat zwar auch Qualitäten an ihm, aber diese Übertragung des Habens auf das Seiende ist ungenau, weil die Bestimmtheit als Qualität unmittelbar eins mit dem Etwas ist und Etwas aufhört zu sein, wenn es seine Qualität verliert. Das Ding aber ist die Reflexion-in-sich, als die von dem Unterschiede, seinen Bestimmungen, auch unterschiedene Identität. - Das Haben wird in vielen Sprachen zur Bezeichnung der Vergangenheit gebraucht, - mit Recht, indem die Vergangenheit das aufgehobene Sein und der Geist deren Reflexion-in-sich ist, worin sie allein noch Bestehen hat, der aber dieses in ihm aufgehobene Sein auch von sich unterscheidet.

Zusatz. Am Dinge rekurrieren die sämtlichen Reflexionsbestimmungen als existierend. So ist das Ding, zunächst als Ding-an-sich, das mit sich Identische. Die Identität aber ist, wie wir gesehen haben, nicht ohne den Unterschied, und die Eigenschaften, welche das Ding hat, sind der existierende Unterschied, in der Form der Verschiedenheit. Während früher die Verschiedenen sich als gegeneinander gleichgültig erwiesen und die Beziehung derselben aufeinander nur durch die ihnen äußerliche Vergleichung gesetzt wurde, so haben wir nunmehr am Dinge ein Band, welches die verschiedenen Eigenschaften untereinander verknüpft. Übrigens ist die Eigenschaft nicht mit der Qualität zu verwechseln. Man sagt zwar auch, etwas habe Qualitäten. Diese Bezeichnung ist indes insofern unpassend, als das Haben eine Selbständigkeit andeutet, die dem mit seiner Qualität unmittelbar identischen Etwas noch 8/256 nicht zukommt. Etwas ist das, was es ist, nur durch seine Qualität, wohingegen das Ding zwar gleichfalls nur existiert, insofern es Eigenschaften hat, jedoch nicht an diese oder jene bestimmte Eigenschaft gebunden ist und somit auch dieselbe verlieren kann, ohne daß es deshalb aufhört, das zu sein, was es ist.

§ 126

β) Die Reflexion-in-Anderes ist aber auch im Grunde unmittelbar an ihr selbst die Reflexion-in-sich, daher sind die Eigenschaften ebensosehr mit sich identisch, selbständig und von ihrem Gebundensein an das Ding befreit. Weil sie aber die voneinander unterschiedenen Bestimmtheiten des Dinges als reflektiert-in-sich sind, sind sie nicht selbst Dinge, als welche konkret sind, sondern in sich reflektierte Existenzen als abstrakte Bestimmtheiten, Materien.

Die Materien, z. B. magnetische, elektrische Materien, werden auch nicht Dinge genannt. - Sie sind die eigentlichen Qualitäten, eins mit ihrem Sein, die zur Unmittelbarkeit gelangte Bestimmtheit, aber einem Sein, welches ein reflektiertes, Existenz ist.

Zusatz. Die Verselbständigung der Eigenschaften, welche das Ding hat, zu Materien oder Stoffen, aus welchen dasselbe besteht, ist zwar im Begriff des Dinges begründet und findet sich deshalb auch in der Erfahrung, allein es ist ebenso gedanken- als erfahrungswidrig, daraus, daß gewisse Eigenschaften eines Dinges, wie z. B. die Farbe, der Geruch usw., sich als besonderer Farbstoff, Riechstoff usw. darstellen lassen, zu folgern, daß damit alles abgetan sei und daß man, um dahinterzukommen, wie es sich mit den Dingen eigentlich verhalte, weiter nichts zu tun habe, als dieselben in die Stoffe zu zerlegen, aus denen dieselben zusammengesetzt sind. Dieses Zerlegen in selbständige Stoffe findet seine eigentliche Stelle nur in der unorganischen Natur, und der Chemiker befindet sich in seinem Recht, wenn er z. B. das Küchensalz oder den Gips in ihre Stoffe zerlegt und dann sagt, jenes bestehe aus Salzsäure und Natron und dieser aus Schwefelsäure und Kalk. Ebenso betrachtet 8/257 dann auch die Geognosie mit Recht den Granit als aus Quarz, Feldspat und Glimmer zusammengesetzt. Diese Stoffe, aus denen das Ding besteht, sind dann zum Teil selbst wieder Dinge, die als solche abermals in abstraktere Stoffe zerlegt werden können, wie z. B. die Schwefelsäure, welche aus Schwefel und aus Sauerstoff besteht. Während nun dergleichen Stoffe oder Materien tatsächlich als für sich bestehend dargestellt werden können, so geschieht es auch häufig, daß andere Eigenschaften der Dinge gleichfalls als besondere Materien betrachtet werden, denen gleichwohl diese Selbständigkeit nicht zukommt. So spricht man z. B. von Wärmestoff, von elektrischer und von magnetischer Materie, welche Stoffe und Materien indes als bloße Fiktionen des Verstandes zu betrachten sind. Es ist dies überhaupt die Weise der abstrakten Verstandesreflexion, einzelne Kategorien, die nur als bestimmte Entwicklungsstufen der Idee ihre Gültigkeit haben, willkürlich zu ergreifen und diese dann, wie es heißt, zum Behuf der Erklärung, jedoch im Widerspruch mit der unbefangenen Anschauung und Erfahrung, dergestalt zu handhaben, daß alle zur Betrachtung gezogenen Gegenstände darauf zurückgeführt werden. So wird dann auch das Bestehen des Dinges aus selbständigen Stoffen vielfältig auf solchen Gebieten zur Anwendung gebracht, wo dasselbe keine Gültigkeit mehr hat. Schon innerhalb der Natur, beim organischen Leben, erweist sich diese Kategorie als ungenügend. Man sagt wohl, dieses Tier besteht aus Knochen, Muskeln, Nerven usw., allein es leuchtet unmittelbar ein, daß es damit eine andere Bewandtnis hat als mit dem Bestehen eines Stücks Granit aus den vorhergenannten Stoffen. Diese Stoffe verhalten sich vollkommen gleichgültig gegen ihre Vereinigung und können auch ebensogut ohne dieselbe bestehen, wohingegen die verschiedenen Teile und Glieder des organischen Leibes nur in ihrer Vereinigung ihr Bestehen haben und getrennt voneinander aufhören, als solche zu existieren.

§ 127

Die Materie ist so die abstrakte oder unbestimmte Reflexion-in-Anderes oder die Reflexion-in-sich zugleich als bestimmte; sie ist daher die daseiende Dingheit, das Bestehen des Dings. Das Ding hat auf diese Weise an den Materien seine Reflexion-in-sich (das Gegenteil von § 125), besteht nicht an ihm selbst, sondern aus den Materien und ist nur deren oberflächlicher Zusammenhang, eine äußerliche Verknüpfung derselben. 8/258

§ 128

γ) Die Materie ist als die unmittelbare Einheit der Existenz mit sich auch gleichgültig gegen die Bestimmtheit; die vielen verschiedenen Materien gehen daher in die eine Materie, die Existenz in der Reflexionsbestimmung der Identität zusammen, welcher gegenüber diese unterschiedenen Bestimmtheiten und deren äußerliche Beziehung, die sie im Ding aufeinander haben, die Form sind, - die Reflexionsbestimmung des Unterschiedes, aber als existierend und als Totalität.

Diese eine, bestimmungslose Materie ist auch dasselbe, was das Ding-an-sich, nur dieses als in sich ganz abstraktes, jene als an sich auch für-Anderes, zunächst für die Form Seiendes.

Zusatz. Die verschiedenen Materien, aus denen das Ding besteht, sind an sich die eine dasselbe, was die andere ist. Wir erhalten hiermit die eine Materie überhaupt, an welcher der Unterschied als derselben äußerlich, d. h. als bloße Form gesetzt ist. Die Auffassung der Dinge als sämtlich die eine und selbe Materie zur Grundlage habend und bloß äußerlich, ihrer Form nach verschieden, ist dem reflektierenden Bewußtsein sehr geläufig. Die Materie gilt hierbei als an sich durchaus unbestimmt, jedoch aller Bestimmung fähig und zugleich schlechthin permanent und in allem Wechsel und aller Veränderung sich selbst gleichbleibend Diese Gleichgültigkeit der Materie gegen bestimmte Formen findet sich nun allerdings in endlichen Dingen; so ist es z. B. einem Marmorblock gleichgültig, ob demselben die Form dieser oder jener Statue oder auch einer Säule gegeben wird. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, daß solche Materie wie ein Marmorblock nur relativ (in Beziehung auf den Bildhauer) gegen die Form gleichgültig, jedoch keineswegs überhaupt formlos ist. Der Mineralog betrachtet demgemäß auch den nur relativ formlosen Marmor als eine bestimmte Steinformation, in seinem Unterschied von anderen, ebenso bestimmten Formationen, wie z. B. Sandstein Porphyr u. dgl. Es ist somit nur der abstrahierende Verstand, welcher die Materie in ihrer Isolierung und als an sich formlos fixiert, wohingegen in der Tat der Gedanke der Materie das Prinzip der Form durchaus in sich schließt und darum auch in der Erfahrung nirgends eine formlose Materie als existierend vorkommt. Die Auffassung der Materie als ursprünglich vorhanden und als an sich formlos ist übrigens sehr alt und begegnet uns schon bei den Griechen, zunächst in der mythischen Gestalt des 8/259 Chaos, welches als die formlose Grundlage der existierenden Welt vorgestellt wird. In der Konsequenz dieser Vorstellung liegt es dann, Gott nicht als den Erschaffer der Welt, sondern als bloßen Weltbildner, als Demiurgen zu betrachten. Die tiefere Anschauung ist dagegen diese, daß Gott die Welt aus Nichts erschaffen habe, womit dann überhaupt ausgesprochen ist, einerseits daß der Materie als solcher keine Selbständigkeit zukommt, und andererseits daß die Form nicht von außen an die Materie gelangt, sondern als Totalität das Prinzip der Materie in sich selbst trägt, welche freie und unendliche Form sich uns demnächst als der Begriff ergeben wird.

§ 129

Das Ding zerfällt so in Materie und Form, deren jedes die Totalität der Dingheit und selbständig für sich ist. Aber die Materie, welche die positive, unbestimmte Existenz sein soll, enthält als Existenz ebensowohl die Reflexion-in-Anderes als das Insichsein; als Einheit dieser Bestimmungen ist sie selbst die Totalität der Form. Die Form aber enthält schon als Totalität der Bestimmungen die Reflexion-in-sich, oder als sich auf sich beziehende Form hat sie das, was die Bestimmung der Materie ausmachen soll. Beide sind an sich dasselbe. Diese ihre Einheit, gesetzt, ist überhaupt die Beziehung der Materie und Form, welche ebenso unterschieden sind.

§ 130

Das Ding als diese Totalität ist der Widerspruch, nach seiner negativen Einheit die Form zu sein, in der die Materie bestimmt und zu Eigenschaften herabgesetzt ist (§ 125), und zugleich aus Materien zu bestehen, die in der Reflexion des Dings in sich zugleich ebenso selbständige als negierte sind. Das Ding ist so, die wesentliche Existenz als eine sich in sich selbst aufhebende zu sein, ist Erscheinung.

Die im Ding ebenso gesetzte Negation als Selbständigkeit der Materien kommt in der Physik als die Porosität vor. Jede der vielen Materien (Färbestoff, Riechstoff und andere Stoffe, nach einigen darunter auch Schallstoff, dann ohnehin Wärmestoff, elektrische Materie usw.) ist auch negiert, und in dieser ihrer Negation, ihren Poren, 8/260 sind die vielen anderen selbständigen Materien, die ebenso porös sind und in sich die anderen so gegenseitig existieren lassen. Die Poren sind nichts Empirisches, sondern Erdichtungen des Verstandes, der das Moment der Negation der selbständigen Materien auf diese Weise vorstellt und die weitere Ausbildung der Widersprüche mit jener nebulosen Verwirrung, in der alle selbständig und alle ineinander ebenso negiert sind, deckt. - Wenn auf gleiche Weise im Geiste die Vermögen oder Tätigkeiten hypostasiert werden, so wird ihre lebendige Einheit ebenso zur Verwirrung des Einwirkens der einen in die andere.
Wie die Poren (von den Poren im Organischen, denen des Holzes, der Haut ist nicht die Rede, sondern von [denen] in den sogenannten Materien, wie im Färbestoff, Wärmestoff usf. oder in den Metallen, Kristallen u. dgl.) nicht in der Beobachtung ihre Bewährung haben, so ist auch die Materie selbst, ferner eine von ihr getrennte Form, zunächst das Ding und das Bestehen desselben aus Materien oder daß es selbst besteht und nur Eigenschaften hat, Produkt des reflektierenden Verstandes, der, indem er beobachtet und das anzugeben vorgibt, was er beobachte, vielmehr eine Metaphysik hervorbringt, die nach allen Seiten Widerspruch ist, der ihm jedoch verborgen bleibt.