b. Der Chemismus
§ 200

Das differente Objekt hat eine immanente Bestimmtheit, welche seine Natur ausmacht und in der es Existenz hat. Aber als gesetzte Totalität des Begriffs ist es der Widerspruch dieser seiner Totalität und der Bestimmtheit seiner Existenz; es ist daher das Streben, ihn aufzuheben und sein Dasein dem Begriffe gleich zu machen.

Zusatz. Der Chemismus ist eine Kategorie der Objektivität, welche in der Regel nicht besonders hervorgehoben, sondern mit dem Mechanismus in eins zusammengefaßt und in dieser Zusammenfassung, unter der gemeinschaftlichen Benennung des mechanischen Verhältnisses, dem Verhältnis der Zweckmäßigkeit gegenübergestellt zu werden pflegt. Die Veranlassung hierzu ist darin zu suchen, daß der Mechanismus und der Chemismus allerdings dies miteinander gemein haben, nur erst an sich der existierende Begriff zu sein, wohingegen der Zweck als der für sich existierende Begriff zu betrachten ist. Weiter sind nun aber auch der Mechanismus und der Chemismus sehr bestimmt voneinander unterschieden, und zwar in der Art, daß das Objekt, in der Form des Mechanismus, zunächst nur gleichgültige Beziehung auf sich ist, wohingegen das chemische Objekt sich als schlechthin auf anderes bezogen erweist. Nun treten zwar auch beim Mechanismus, indem derselbe sich entwickelt, bereits Beziehungen auf anderes hervor; allein die Beziehung der mechanischen Objekte aufeinander ist nur erst äußerliche Beziehung, dergestalt, daß den aufeinander bezogenen Objekten der Schein der Selbständigkeit verbleibt. So stehen z. B. in der Natur die verschiedenen Himmelskörper, welche unser Sonnensystem bilden, zueinander in dem Verhältnis der Bewegung und erweisen sich durch dieselbe aufeinander bezogen. Die Bewegung, als die Einheit von Raum und Zeit, ist indes nur die ganz äußerliche und abstrakte Beziehung, und es scheint somit so, als würden die so äußerlich aufeinander bezogenen Himmelskörper das, was sie sind, sein und bleiben auch ohne diese ihre Beziehung aufeinander. - Anders verhält es sich dagegen mit dem Chemismus. Die chemisch-differenten Objekte sind das, was sie sind, ausdrücklich nur durch ihre Differenz und sind so der absolute Trieb, sich durch- und aneinander zu integrieren. 8/357

§ 201

Der chemische Prozeß hat daher das Neutrale seiner gespannten Extreme, welches diese an sich sind, zum Produkte; der Begriff, das konkrete Allgemeine, schließt sich durch die Differenz der Objekte, die Besonderung, mit der Einzelheit, dem Produkte, und darin nur mit sich selbst zusammen. Ebensowohl sind in diesem Prozesse auch die anderen Schlüsse enthalten; die Einzelheit, als Tätigkeit, ist gleichfalls Vermittelndes, so wie das konkrete Allgemeine, das Wesen der gespannten Extreme, welches im Produkte zum Dasein kommt.

§ 202

Der Chemismus hat noch als das Reflexionsverhältnis der Objektivität mit der differenten Natur der Objekte zugleich die unmittelbare Selbständigkeit derselben zur Voraussetzung. Der Prozeß ist das Herüber- und Hinübergehen von einer Form zur anderen, die sich zugleich noch äußerlich bleiben. - Im neutralen Produkte sind die bestimmten Eigenschaften, die die Extreme gegeneinander hatten, aufgehoben. Es ist dem Begriffe wohl gemäß, aber das begeistende Prinzip der Differentiierung existiert in ihm als zur Unmittelbarkeit zurückgesunkenem nicht; das Neutrale ist darum ein trennbares. Aber das urteilende Prinzip, welches das Neutrale in differente Extreme dirimiert und dem indifferenten Objekte überhaupt seine Differenz und Begeistung gegen ein Anderes gibt, und der Prozeß als spannende Trennung fällt außer jenem ersten Prozesse.

Zusatz. Der chemische Prozeß ist noch ein endlicher, bedingter Prozeß. Der Begriff als solcher ist nur erst das Innere dieses Prozesses und kommt hier noch nicht in seinem Fürsichsein zur Existenz. Im neutralen Produkt ist der Prozeß erloschen, und das Erregende fällt außerhalb desselben.

§ 203

Die Äußerlichkeit dieser zwei Prozesse, die Reduktion des Differenten zum Neutralen, und die Differentiierung des 8/358 Indifferenten oder Neutralen, welche sie als selbständig gegeneinander erscheinen läßt, zeigt aber ihre Endlichkeit in dem Übergehen in Produkte, worin sie aufgehoben sind. Umgekehrt stellt der Prozeß die vorausgesetzte Unmittelbarkeit der differenten Objekte als eine nichtige dar. - Durch diese Negation der Äußerlichkeit und Unmittelbarkeit, worein der Begriff als Objekt versenkt war, ist er frei und für sich gegen jene Äußerlichkeit und Unmittelbarkeit gesetzt, - als Zweck.

Zusatz. Der Übergang vom Chemismus zum teleologischen Verhältnis ist darin enthalten, daß die beiden Formen des chemischen Prozesses einander gegenseitig aufheben. Was dadurch zustande kommt, das ist das Freiwerden des im Chemismus und im Mechanismus nur erst an sich vorhandenen Begriffs, und der hiermit für sich existierende Begriff ist der Zweck.