a. Die spezifische Schwere
§ 293

Die einfache, abstrakte Spezifikation ist die spezifische Schwere oder Dichtigkeit der Materie, ein Verhältnis des Gewichts der Masse zu dem Volumen, wodurch das Materielle als selbstisch sich von dem abstrakten Verhältnisse zum Zentralkörper, der allgemeinen Schwere, losreißt, aufhört, die gleichförmige Erfüllung des Raums zu sein, und dem abstrakten Außereinander ein spezifisches Insichsein entgegensetzt.

Die verschiedene Dichtigkeit der Materie wird durch die Annahme von Poren erklärt, - die Verdichtung durch die Erdichtung von leeren Zwischenräumen, von denen als von einem Vorhandenen gesprochen wird, das die Physik aber nicht aufzeigt, ungeachtet sie vorgibt, sich auf Erfahrung und Beobachtung zu stützen. - Ein Beispiel von existierendem Spezifizieren der Schwere ist die Erscheinung, daß ein auf seinem Unterstützungspunkte gleichgewichtig schwebender Eisenstab, wie er magnetisiert wird, sein Gleichgewicht verliert und sich an dem einen Pole jetzt schwerer zeigt als an dem andern. Hier wird der eine Teil so infiziert, daß er, ohne sein Volumen zu verändern, schwerer wird; die Materie, deren Masse nicht vermehrt worden, ist somit spezifisch schwerer geworden. - Die Sätze, welche die Physik bei ihrer Art, die Dichtigkeit vorzustellen, voraussetzt, sind: 1. daß eine gleiche Anzahl gleich großer materieller Teile gleich schwer ist; wobei 2. das Maß der Anzahl der Teile das Quantum des Gewichts ist, aber 3. auch der Raum, so daß, was von gleichem Gewichtsquantum ist, auch gleichen Raum einnimmt; wenn daher 4. gleiche Gewichte doch in einem verschiedenen Volumen erscheinen, so wird durch Annahme der Poren die Gleichheit des Raums, der materiell erfüllt sei, erhalten. Die Erdichtung der Poren im vierten Satze wird notwendig durch die drei ersten Sätze, die 9/159 nicht auf Erfahrung beruhen, sondern nur auf den Satz der Verstandesidentität gegründet, daher formelle, apriorische Erdichtungen sind wie die Poren. Kant hat bereits der Quantitätsbestimmung der Anzahl die Intensität gegenübergestellt und an die Stelle von mehr Teilen in gleichem Volumen die gleiche Anzahl, aber von einem stärkeren Grade der Raumerfüllung gesetzt und dadurch einer sogenannten dynamischen Physik den Ursprung gegeben.87)  -Wenigstens hätte die Bestimmung des intensiven Quantums so viel Recht als die des extensiven, auf welche letztere Kategorie sich jene gewöhnliche Vorstellung der Dichtigkeit beschränkt. Die intensive Größenbestimmung hat aber hier dies voraus, daß sie auf das Maß hinweist und zunächst ein Insichsein andeutet, das in seiner Begriffsbestimmung immanente Formbestimmtheit ist, die erst in der Vergleichung als Quantum überhaupt erscheint. Dessen Unterschiede als extensives oder intensives aber - und weiter geht die dynamische Physik nicht - drücken keine Realität aus. (§ 103 Anm.)

Zusatz. In den Bestimmtheiten, die wir gehabt haben, war Schwere und Raum noch ein Ungetrenntes; der Unterschied der Körper war dort nur der der Masse, und dies ist nur ein Unterschied der Körper gegeneinander; dabei ist die Raumerfüllung das Maß, indem die größere Menge der Teile der größeren Erfüllung des Raums entspricht. Im Insichsein tritt nun ein verschiedenes Maß ein, wo bei gleichem Raum ein verschiedenes Gewicht oder bei gleichem Gewicht ein verschiedener Raum vorhanden ist. Dies immanente Verhältnis, das die selbstische Natur eines Materiellen konstituiert, ist eben die spezifische Schwere; sie ist dies Anundfürsichsein, das sich nur auf sich selbst bezieht und ganz gleichgültig gegen die Masse ist. Indem die Dichtigkeit das Verhältnis des Gewichts zum Volumen ist, kann sowohl die eine Seite als die andere als Einheit gesetzt werden. Ein Kubikzoll kann Wasser oder Gold sein, in diesem ihrem Volumen setzen wir sie gleich; aber das Gewicht ist ganz und gar verschieden, indem das Gold neunzehnmal mehr als das Wasser wiegt. Oder ein Pfund Wasser 9/160 nimmt neunzehnmal mehr Raum ein als ein Pfund Gold. Hier fällt das bloß Quantitative weg und Qualitatives tritt ein; denn die Materie hat jetzt eigentümliche Determination in ihr selbst. Das spezifische Gewicht ist so eine vollkommen durchdringende Grundbestimmung der Körper. Jeder Teil dieser körperlichen Materie hat diese spezifische Bestimmtheit in ihm selbst, während bei der Schwere diese Zentralität nur einem Punkte zukam.
Die spezifische Schwere kommt der Erde überhaupt, dem allgemeinen Individuum, ebenso zu als dem besonderen Körper. Im elementarischen Prozeß war die Erde nur abstraktes Individuum; das erste Zeigen der Individualität ist die spezifische Schwere. Die Erde ist, als Prozeß, Idealität der besonderen Existenzen. Diese ihre Individualität zeigt sich aber auch als einfache Bestimmtheit, und die Erscheinung davon ist die spezifische Schwere, die der meteorologische Prozeß kundtut, der Barometerstand. Goethe hat sich viel mit Meteorologie beschäftigt; besonders ist ihm der Barometerstand aufgefallen, und er gibt mit Selbstgefälligkeit Ansichten über ihn. Er äußert Wichtiges, die Hauptsache ist, daß er eine vergleichende Tafel des Barometerstandes während des ganzen Monats Dezember 1822 in Weimar, Jena, London, Boston, Wien, Tepl (bei Teplitz, und hoch gelegen) gibt; er stellt dies "graphisch" dar. Er will daraus das Resultat ziehen, daß nicht nur in allen Zonen der Barometerstand sich in gleichem Verhältnis ändert, sondern daß er auch in verschiedenen Höhen über der Meeresfläche einen gleichen Gang hat. Denn es ist bekannt, daß das Barometer auf einem hohen Berge viel tiefer steht als an der Oberfläche des Meeres. Aus diesem Unterschiede (bei derselben Temperatur, daher auch das Thermometer hinzugenommen werden muß) kann man die Höhe der Berge messen. Also die Höhe der Berge abgezogen, so ist der Gang des Barometers daselbst analog dem Gange in der Ebene. "Wenn", sagt Goethe (Zur Naturwissenschaft überhaupt, II. Bd., 1. Heft [1823, "The climate of London"], S. 74), "von Boston bis London, von da über Karlsruhe nach Wien ... das Steigen und Fallen des Barometers immer analog bleibt, so kann dies unmöglich von einer äußeren Ursache abhängen, sondern muß einer inneren zugeschrieben werden." S. 63: Sieht man die Erfahrung von dem Barometer-Steigen und -Fallen (schon in den Zahlenverhältnissen bemerkt man die große Übereinstimmung), "so stutzt man über das vollkommen proportionierte Auf- und Niedersteigen der Quecksilbersäule von dem höchsten bis zum tiefsten Punkte ... . Wenn wir nun die Einwirkung der Sonne einstweilen nur als wärmeerregend annehmen, so bleibt uns zuletzt die Erde allein übrig; wir suchen nun also die Ursachen der Barometerveränderung nicht außerhalb, sondern innerhalb des Erdballes; 9/161 sie sind nicht kosmisch, nicht atmosphärisch, sondern tellurisch ... . Die Erde verändert ihre Anziehungskraft und zieht also mehr oder weniger den Dunstkreis an; dieser hat weder Schwere, noch übt er irgendeinen Druck aus, sondern stärker angezogen scheint er mehr zu drücken und zu lasten." Der Dunstkreis soll nicht schwer sein nach Goethe. Aber Angezogenwerden und Schwersein ist ja ganz dasselbe. "Die Anziehungskraft geht aus von der ganzen Erdmasse, wahrscheinlich vom Mittelpunkt bis zu der uns bekannten Oberfläche, sodann aber vom Meere an bis zu den höchsten Gipfeln und darüber hinaus abnehmend und sich zugleich durch ein zweckmäßig beschränktes Pulsieren offenbarend." Die Hauptsache ist, daß Goethe mit Recht die Veränderung der spezifischen Schwere der Erde als solcher zukommen läßt. Wir haben schon bemerklich gemacht (§ 287 Zusatz), daß der höhere Barometerstand die Wasserbildung aufhebt, während der niedere sie zuläßt. Die spezifische Schwere der Erde ist ihr Sich-als-bestimmend-Zeigen und damit eben als Individualität. Bei höherem Barometerstand ist eine größere Spannung, ein höheres Insichsein der Erde vorhanden, welches um so mehr die Materie ihrer abstrakten Schwere entzieht; denn man muß die spezifische Schwere fassen als das der allgemeinen Schwere Entzogensein durch die Individualität.
Man hat sonst die Vorstellung, daß ein Pfund Gold ebensoviel Teile habe als ein Pfund Wasser, nur seien sie neunzehnmal enger aneinandergerückt, so daß das Wasser neunzehnmal mehr Poren, leeren Raum, Luft usf. habe. Solche leere Vorstellungen sind das cheval de bataille der Reflexion, die eine immanente Bestimmtheit nicht aufzufassen vermag, sondern sich die numerische Gleichheit der Teile erhalten will und nun dabei doch das Übrige des Raums zu erfüllen für nötig findet. - Die spezifische Schwere ist in der gewöhnlichen Physik auch auf den Gegensatz der Repulsion und Attraktion zurückgeführt worden: der Körper sei dichter, wo die Materie mehr attrahiert werde, weniger dicht, wo die Repulsion überwiege. Diese Faktoren haben aber hier keinen Sinn mehr. Der Gegensatz von Attraktion und Repulsion als zwei selbständigen Kräften für sich gehört nur der Verstandesreflexion an. Hielten Attraktion und Repulsion sich nicht schlechthin das Gleichgewicht, so würde man sich in Widersprüche verwickeln, die das Falsche dieser Reflexion andeuten, wie schon oben (§ 270 Anm. S. 89 ff. und Zus. S. 96 ff.) bei den Bewegungen der himmlischen Körper gezeigt worden.

§ 294

Die Dichtigkeit ist nur erst einfache Bestimmtheit der schweren 9/162 Materie; aber indem die Materie das wesentliche Außereinander bleibt, so ist die Formbestimmung weiter eine spezifische Weise der räumlichen Beziehung ihres Vielfachen aufeinander, - Kohäsion.

Zusatz. Die Kohäsion ist wie das spezifische Gewicht eine sich gegen die Schwere unterscheidende Bestimmtheit; aber sie ist breiter als dasselbe, nicht nur andere Zentralität überhaupt, sondern in bezug auf viele Teile. Die Kohäsion ist nicht nur eine Vergleichung der Körper nach der spezifischen Schwere, sondern ihre Bestimmtheit ist jetzt so gesetzt, daß sie sich reell gegeneinander verhalten, einander berühren.

87) vgl. Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, Zweites Hauptstück: "Metaphysische Anfangsgründe der Dynamik"