b. Die fühlende Seele
§ 403

Das fühlende Individuum ist die einfache Idealität, Subjektivität des Empfindens. Es ist darum zu tun, daß es seine Substantialität, die nur an sich seiende Erfüllung als Subjektivität setzt, sich in Besitz nimmt und als die Macht seiner selbst für sich wird. Die Seele ist als fühlende nicht mehr bloß natürliche, sondern innerliche Individualität; dies ihr in der nur substantiellen Totalität erst formelle[s] Fürsichsein ist zu verselbständigen und zu befreien.

Nirgend so sehr als bei der Seele und noch mehr beim Geiste ist es die Bestimmung der Idealität, die für das Verständnis am wesentlichsten festzuhalten ist, daß die Idealität Negation des Reellen, dieses aber zugleich aufbewahrt, virtualiter erhalten ist, ob es gleich nicht existiert. Es ist die Bestimmung, die wir wohl in Ansehung der Vorstellungen, des Gedächtnisses vor uns haben. Jedes Individuum ist ein unendlicher Reichtum von Empfindungsbestimmungen, Vorstellungen, Kenntnissen, Gedanken usf.; aber ich bin darum doch ein ganz Einfaches, - ein bestimmungsloser Schacht, in welchem alles dieses aufbewahrt ist, ohne zu existieren. Erst wenn ich mich an eine Vorstellung erinnere, bringe ich sie aus jenem Innern heraus zur Existenz vor das Bewußtsein. In Krankheiten geschieht, daß Vorstellungen, Kenntnisse wieder zum Vorschein kommen, die seit vielen Jahren vergessen heißen, weil sie in so langer Zeit nicht ins Bewußtsein gebracht wurden. Wir waren nicht in ihrem Besitz, kommen 10/122 etwa auch durch solche in der Krankheit geschehene Reproduktion nicht ferner in ihren Besitz, und doch waren sie in uns und bleiben noch fernerhin in uns. So kann der Mensch nie wissen, wie viele Kenntnisse er in der Tat in sich hat, sollte er sie gleich vergessen haben; - sie gehören nicht seiner Wirklichkeit, nicht seiner Subjektivität als solcher, sondern nur seinem an sich seienden Sein an. Diese einfache Innerlichkeit ist und bleibt die Individualität in aller Bestimmtheit und Vermittlung des Bewußtseins, welche später in sie gesetzt wird. Hier ist diese Einfachheit der Seele zunächst als fühlender, in der die Leiblichkeit enthalten ist, und gegen die Vorstellung dieser Leiblichkeit, welche für das Bewußtsein und den Verstand eine außereinander und außer ihr seiende Materialität ist, festzuhalten. Sowenig die Mannigfaltigkeit der vielen Vorstellungen ein Außereinander und reale Vielheit in dem Ich begründet, so wenig hat das reale Auseinander der Leiblichkeit eine Wahrheit für die fühlende Seele. Empfindend ist sie unmittelbar bestimmt, also natürlich und leiblich, aber das Außereinander und die sinnliche Mannigfaltigkeit dieses Leiblichen gilt der Seele ebensowenig als dem Begriffe als etwas Reales und darum nicht für eine Schranke; die Seele ist der existierende Begriff, die Existenz des Spekulativen. Sie ist darum in dem Leiblichen einfache allgegenwärtige Einheit; wie für die Vorstellung der Leib eine Vorstellung ist und das unendlich Mannigfaltige seiner Materiatur und Organisation zur Einfachheit eines bestimmten Begriffs durchdrungen ist, so ist die Leiblichkeit und damit alles das, was als in ihre Sphäre Gehöriges außereinanderfällt, in der fühlenden Seele zur Idealität, der Wahrheit der natürlichen Mannigfaltigkeit, reduziert. Die Seele ist an sich die Totalität der Natur, als individuelle Seele ist sie Monade; sie selbst ist die gesetzte Totalität ihrer besonderen Welt, so daß diese in sie eingeschlossen, ihre Erfüllung ist, gegen die sie sich nur zu sich selbst verhält. 10/123

§ 404

Als individuell ist die Seele ausschließend überhaupt und den Unterschied in sich setzend. Das von ihr Unterschiedenwerdende ist noch nicht ein äußeres Objekt wie im Bewußtsein, sondern es sind die Bestimmungen ihrer empfindenden Totalität. Sie ist in diesem Urteile Subjekt überhaupt, ihr Objekt ist ihre Substanz, welche zugleich ihr Prädikat ist. Diese Substanz ist nicht der Inhalt ihres Naturlebens, sondern als Inhalt der individuellen, von Empfindung erfüllten Seele; da sie aber darin zugleich besondere ist, ist er ihre besondere Welt, insofern diese auf implizite Weise in der Idealität des Subjekts eingeschlossen ist.

Diese Stufe des Geistes ist für sich die Stufe seiner Dunkelheit, indem sich ihre Bestimmungen nicht zu bewußtem und verständigem Inhalt entwickeln; sie ist insofern überhaupt formell. Ein eigentümliches Interesse erhält sie, insofern sie als Form ist und damit als Zustand erscheint (§ 380), in welchem die schon weiter zu Bewußtsein und Verstand bestimmte Entwicklung der Seele wieder herab versinken kann. Die wahrhaftere Form des Geistes, in einer untergeordneteren, abstrakteren existierend, enthält eine Unangemessenheit, welche die Krankheit ist. Es sind in dieser Sphäre einmal die abstrakten Gestaltungen der Seele für sich, das andere Mal dieselben auch als die Krankheitszustände des Geistes zu betrachten, weil diese ganz allein aus jenen zu verstehen sind.