A. Das Wesen als Grund der Existenz

a. Die reinen Reflexionsbestimmungen
α. Identität
§ 115

Das Wesen scheint in sich oder ist reine Reflexion, so ist es nur Beziehung auf sich, nicht als unmittelbare, sondern als reflektierte, - Identität mit sich.

Formelle oder Verstandesidentität ist diese Identität, insofern an ihr festgehalten und von dem Unterschiede abstrahiert wird. Oder die Abstraktion ist vielmehr das Setzen dieser formellen Identität, die Verwandlung eines in sich Konkreten in diese Form der Einfachheit, - es sei, daß ein Teil des am Konkreten vorhandenen Mannigfaltigen weggelassen (durch das sogenannte Analysieren) und nur eines derselben herausgenommen wird, oder daß mit Weglassung ihrer Verschiedenheit die mannigfaltigen Bestimmtheiten in eine zusammengezogen werden.
Die Identität mit dem Absoluten, als Subjekte eines Satzes, verbunden, - so lautet er: das Absolute ist das mit sich Identische. - So wahr dieser Satz ist, so ist es zweideutig, ob er in seiner Wahrheit gemeint ist; er ist darum in seinem Ausdrucke wenigstens unvollständig: denn es ist unentschieden, 8/236 ob die abstrakte Verstandesidentität, d. i. im Gegensatze gegen die anderen Bestimmungen des Wesens, oder aber die Identität als in sich konkrete gemeint ist; so ist sie, wie sich ergeben wird, zunächst der Grund und dann in höherer Wahrheit der Begriff. - Auch das Wort "absolut" selbst hat häufig keine weitere Bedeutung als die von "abstrakt"; so heißt absoluter Raum, absolute Zeit nichts weiter als der abstrakte Raum und die abstrakte Zeit.
Die Bestimmungen des Wesens als wesentliche Bestimmungen genommen, werden sie Prädikate eines vorausgesetzten Subjekts, das, weil sie wesentlich [sind], Alles ist. Die Sätze, die dadurch entstehen, sind als die allgemeinen Denkgesetze ausgesprochen worden. Der Satz der Identität lautet demnach: "Alles ist mit sich identisch; A = A"; und negativ: "A kann nicht zugleich A und nicht A sein". - Dieser Satz, statt ein wahres Denkgesetz zu sein, ist nichts als das Gesetz des abstrakten Verstandes. Die Form des Satzes widerspricht ihm schon selbst, da ein Satz auch einen Unterschied zwischen Subjekt und Prädikat verspricht, dieser aber das nicht leistet, was seine Form fordert. Namentlich wird es aber durch die folgenden sogenannten Denkgesetze aufgehoben, welche das Gegenteil dieses Gesetzes zu Gesetzen machen. - Wenn man behauptet, dieser Satz könne nicht bewiesen werden, aber jedes Bewußtsein verfahre danach und stimme ihm nach der Erfahrung sogleich zu, wie es ihn vernehme, so ist dieser angeblichen Erfahrung der Schule die allgemeine Erfahrung entgegenzusetzen, daß kein Bewußtsein nach diesem Gesetze denkt, noch Vorstellungen hat usf., noch spricht, daß keine Existenz, welcher Art sie sei, nach demselben existiert. Das Sprechen nach diesem seinsollenden Gesetze der Wahrheit (ein Planet ist - ein Planet; der Magnetismus ist - der Magnetismus; der Geist ist - ein Geist) gilt mit vollem Recht für albern; dies ist wohl allgemeine Erfahrung. Die Schule, in der allein solche Gesetze 8/237 gelten, hat sich längst mit ihrer Logik, welche dieselbe ernsthaft vorträgt, bei dem gesunden Menschenverstande wie bei der Vernunft um den Kredit gebracht.

Zusatz. Die Identität ist zunächst wieder dasselbe, was wir früher als Sein hatten, aber als geworden durch Aufhebung der unmittelbaren Bestimmtheit, und somit das Sein als Idealität. - Es ist von großer Wichtigkeit, sich über die wahre Bedeutung der Identität gehörig zu verständigen, wozu dann vor allen Dingen gehört, daß dieselbe nicht bloß als abstrakte Identität, d. h. nicht als Identität mit Ausschließung des Unterschiedes aufgefaßt wird. Dies ist der Punkt, wodurch sich alle schlechte Philosophie von dem unterscheidet, was allein den Namen der Philosophie verdient. Die Identität in ihrer Wahrheit, als Idealität des unmittelbar Seienden, ist eine hohe Bestimmung, sowohl für unser religiöses Bewußtsein als auch für alles sonstige Denken und Bewußtsein überhaupt. Man kann sagen, daß das wahre Wissen von Gott damit beginnt, ihn als Identität - als absolute Identität zu wissen, worin dann zugleich dies liegt, daß alle Macht und alle Herrlichkeit der Welt vor Gott zusammensinkt und nur als das Scheinen seiner Macht und seiner Herrlichkeit zu bestehen vermag. - Ebenso ist es dann auch die Identität als Bewußtsein seiner selbst, wodurch sich der Mensch von der Natur überhaupt und näher vom Tier unterscheidet, welches letztere nicht dazu gelangt, sich als Ich, d. h. als reine Einheit seiner in sich selbst zu erfassen. - Was dann ferner die Bedeutung der Identität in Beziehung auf das Denken anbetrifft, so kommt es hierbei vor allen Dingen darauf an, die wahre, das Sein und dessen Bestimmungen als aufhoben in sich enthaltende Identität nicht mit der abstrakten, bloß formellen Identität zu verwechseln. Alle jene, namentlich vom Standpunkt der Empfindung und der unmittelbaren Anschauung aus, dem Denken so häufig gemachten Vorwürfe der Einseitigkeit der Härte, der Inhaltslosigkeit usw. haben ihren Grund in der verkehrten Voraussetzung, daß die Tätigkeit des Denkens nur die des abstrakten Identischsetzens sei, und die formelle Logik ist es selbst, welche diese Voraussetzung durch Aufstellung des im obigen § beleuchteten, angeblich höchsten Denkgesetzes bestätigt. Wenn das Denken weiter nichts wäre als jene abstrakte Identität, so müßte dasselbe für das überflüssigste und langweiligste Geschäft erklärt werden. Allerdings sind der Begriff und weiter die Idee mit sich identisch, allein nur insofern dieselben zugleich den Unterschied in sich enthalten. 8/238