β. Das Wollen
§ 233

Die subjektive Idee als das an und für sich Bestimmte und sich selbst gleicher, einfacher Inhalt ist das Gute. Ihr Trieb, sich zu realisieren, hat das umgekehrte Verhältnis gegen die Idee des Wahren und geht darauf, vielmehr die vorgefundene Welt nach seinem Zwecke zu bestimmen. - Dieses Wollen hat einerseits die Gewißheit der Nichtigkeit des vorausgesetzten Objekts, andererseits aber setzt es als Endliches zugleich den Zweck des Guten als nur subjektive Idee und die Selbständigkeit des Objekts voraus.

§ 234

Die Endlichkeit dieser Tätigkeit ist daher der Widerspruch, daß in den selbst widersprechenden Bestimmungen der objektiven Welt der Zweck des Guten ebenso ausgeführt wird als auch nicht, daß er als ein unwesentlicher so sehr als ein wesentlicher, als ein wirklicher und zugleich als nur möglicher gesetzt ist. Dieser Widerspruch stellt sich als der unendliche Progreß der Verwirklichung des Guten vor, das darin nur als ein Sollen fixiert ist. Formell ist aber das Verschwinden dieses Widerspruches darin, daß die Tätigkeit die Subjektivität des Zweckes und damit die Objektivität, den Gegensatz, durch den beide endlich sind, und nicht nur die Einseitigkeit dieser Subjektivität, sondern sie im Allgemeinen aufhebt; eine andere solche Subjektivität, d. i. ein neues Erzeugen des Gegensatzes, ist von der, die eine vorige sein sollte, nicht unterschieden. Diese Rückkehr in sich ist zugleich die Erinnerung des Inhalts in sich, welcher das Gute und die an sich seiende Identität beider Seiten ist, - die Erinnerung an die Voraussetzung des theoretischen Verhaltens (§ 224), daß das Objekt das an ihm Substantielle und Wahre sei.

Zusatz. Während es der Intelligenz nur darum zu tun ist, die Welt so zu nehmen, wie sie ist, so geht dagegen der Wille darauf aus, die Welt erst zu dem zu machen, was sie sein soll. Das Unmittelbare, 8/386 das Vorgefundene gilt dem Willen nicht als ein festes Sein, sondern nur als ein Schein, als ein an sich Nichtiges. Es kommen hier die Widersprüche vor, in denen man sich auf dem Standpunkt der Moralität herumtreibt. Es ist dies überhaupt in praktischer Beziehung der Standpunkt der Kantischen und auch noch der Fichteschen Philosophie. Das Gute soll realisiert werden; man hat daran zu arbeiten, dasselbe hervorzubringen, und der Wille ist nur das sich betätigende Gute. Wäre dann aber die Welt so, wie sie sein soll, so fiele damit die Tätigkeit des Willens hinweg. Der Wille fordert also selbst, daß sein Zweck auch nicht realisiert werde. Die Endlichkeit des Willens ist damit richtig ausgesprochen. Bei dieser Endlichkeit ist dann aber nicht stehenzubleiben, und der Prozeß des Willens selbst ist es, wodurch dieselbe und der in ihr enthaltene Widerspruch aufgehoben wird. Die Versöhnung besteht darin, daß der Wille in seinem Resultat zur Voraussetzung des Erkennens zurückkehrt, somit in der Einheit der theoretischen und praktischen Idee. Der Wille weiß den Zweck als das Seinige und die Intelligenz faßt die Welt als den wirklichen Begriff auf. Dies ist die wahrhafte Stellung des vernünftigen Erkennens. Das Nichtige und Verschwindende macht nur die Oberfläche, nicht das wahrhafte Wesen der Welt aus. Dieses ist der an und für sich seiende Begriff, und die Welt ist so selbst die Idee. Das unbefriedigte Streben verschwindet, wenn wir erkennen, daß der Endzweck der Welt ebenso vollbracht ist, als er sich ewig vollbringt. Dies ist überhaupt die Stellung des Mannes, während die Jugend meint, die Welt liege schlechthin im argen und es müsse aus derselben erst ein ganz anderes gemacht werden. Das religiöse Bewußtsein betrachtet dagegen die Welt als durch die göttliche Vorsehung regiert und somit als dem entsprechend, was sie sein soll. Diese Übereinstimmung von Sein und Sollen ist indes nicht eine erstarrte und prozeßlose; denn das Gute, der Endzweck der Welt, ist nur, indem es sich stets hervorbringt, und zwischen der geistigen und natürlichen Welt besteht dann noch der Unterschied daß, während diese nur beständig in sich selbst zurückkehrt, in jener allerdings auch ein Fortschreiten stattfindet.

§ 235

Die Wahrheit des Guten ist damit gesetzt, als die Einheit der theoretischen und praktischen Idee, daß das Gute an und für sich erreicht, - die objektive Welt so an und für sich die Idee ist, wie sie zugleich ewig als Zweck sich setzt und durch Tätigkeit ihre Wirklichkeit hervorbringt. - Dieses aus der 8/387 Differenz und Endlichkeit des Erkennens zu sich zurückgekommene und durch die Tätigkeit des Begriffs mit ihm identisch gewordene Leben ist die spekulative oder absolute Idee.