c. Die absolute Idee
§ 236

Die Idee als Einheit der subjektiven und der objektiven Idee ist der Begriff der Idee, dem die Idee als solche der Gegenstand, dem das Objekt sie ist; - ein Objekt, in welches alle Bestimmungen zusammengegangen sind. Diese Einheit ist hiermit die absolute und alle Wahrheit, die sich selbst denkende Idee, und zwar hier als denkende, als logische Idee.

Zusatz. Die absolute Idee ist zunächst die Einheit der theoretischen und der praktischen Idee und damit zugleich die Einheit der Idee des Lebens und der Idee des Erkennens. Im Erkennen hatten wir die Idee in der Gestalt der Differenz, und der Prozeß des Erkennens hat sich uns als die Überwindung dieser Differenz und als die Wiederherstellung jener Einheit ergeben, welche als solche und in ihrer Unmittelbarkeit zunächst die Idee des Lebens ist. Der Mangel des Lebens besteht darin, nur erst die an sich seiende Idee zu sein; dahingegen ist ebenso einseitigerweise das Erkennen die nur für sich seiende Idee. Die Einheit und Wahrheit dieser beiden ist die an und für sich seiende und hiermit absolute Idee. - Bisher haben wir die Idee in der Entwicklung durch ihre verschiedenen Stufen hindurch zu unserem Gegenstand gehabt; nunmehr aber ist die Idee sich selbst gegenständlich. Dies ist die νόησις νοήσεως, welche schon Aristoteles als die höchste Form der Idee bezeichnet hat.

§ 237

Für sich ist die absolute Idee, weil kein Übergehen noch Voraussetzen und überhaupt keine Bestimmtheit, welche nicht flüssig und durchsichtig wäre, in ihr ist, die reine Form des Begriffs, die ihren Inhalt als sich selbst anschaut. Sie ist sich Inhalt, insofern sie das ideelle Unterscheiden ihrer selbst von sich und das eine der Unterschiedenen die Identität mit 8/388 sich ist, in der aber die Totalität der Form als das System der Inhaltsbestimmungen enthalten ist. Dieser Inhalt ist das System des Logischen. Als Form bleibt hier der Idee nichts als die Methode dieses Inhalts, - das bestimmte Wissen von der Währung ihrer Momente.

Zusatz. Wenn von der absoluten Idee gesprochen wird, so kann man meinen, hier werde erst das Rechte kommen, hier müsse sich alles ergeben. Gehaltlos deklamieren kann man allerdings über die absolute Idee in das Weite und Breite; der wahre Inhalt ist indes kein anderer als das ganze System, dessen Entwicklung wir bisher betrachtet haben. Es kann hiernach auch gesagt werden, die absolute Idee sei das Allgemeine, aber das Allgemeine nicht bloß als abstrakte Form, welchem der besondere Inhalt als ein Anderes gegenübersteht, sondern als die absolute Form, in welche alle Bestimmungen, die ganze Fülle des durch dieselbe gesetzten Inhalts zurückgegangen ist. Die absolute Idee ist in dieser Hinsicht dem Greis zu vergleichen, der dieselben Religionssätze ausspricht als das Kind, für welchen dieselben aber die Bedeutung seines ganzen Lebens haben. Wenn auch das Kind den religiösen Inhalt versteht, so gilt ihm derselbe doch nur als ein solches, außerhalb dessen noch das ganze Leben und die ganze Welt liegt. - Ebenso verhält es sich dann auch mit dem menschlichen Leben überhaupt und den Begebenheiten, die den Inhalt desselben ausmachen. Alle Arbeit ist nur auf das Ziel gerichtet, und wenn dies erreicht ist, so ist man verwundert, nichts anderes zu finden als eben dies, was man wollte. Das Interesse liegt in der ganzen Bewegung. Wenn der Mensch sein Leben verfolgt, dann kann ihm das Ende als sehr beschränkt erscheinen, aber der ganze decursus vitue ist es, welcher darin zusammengenommen ist. - So ist denn auch der Inhalt der absoluten Idee die ganze Ausbreitung, die wir bisher vor uns hatten. Das Letzte ist die Einsicht, daß die ganze Entfaltung den Inhalt und das Interesse ausmacht. - Weiter ist dies die philosophische Ansicht, daß alles, was für sich genommen als ein Beschränktes erscheint, dadurch seinen Wert erhält, daß es dem Ganzen angehört und Moment der Idee ist. So ist es, daß wir den Inhalt gehabt haben, und was wir noch haben, das ist das Wissen, daß der Inhalt die lebendige Entwicklung der Idee ist, und dieser einfache Rückblick ist in der Form enthalten. Eine jede der bisher betrachteten Stufen ist ein Bild des Absoluten, aber zunächst in beschränkter Weise, und so treibt sie sich fort zum Ganzen, dessen Entfaltung dasjenige ist, was wir als Methode bezeichneten. 8/389

§ 238

Die Momente der spekulativen Methode sind α) der Anfang, der das Sein oder Unmittelbare ist; für sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist. Von der spekulativen Idee aus aber ist es ihr Selbstbestimmen, welches als die absolute Negativität oder Bewegung des Begriffs urteilt und sich als das Negative seiner selbst setzt. Das Sein, das für den Anfang als solchen als abstrakte Affirmation erscheint, ist so vielmehr die Negation, Gesetztsein, Vermitteltsein überhaupt und Vorausgesetztsein. Aber als die Negation des Begriffs, der in seinem Anderssein schlechthin identisch mit sich und die Gewißheit seiner selbst ist, ist es der noch nicht als Begriff gesetzte Begriff oder der Begriff an sich. - Dies Sein ist darum als der noch unbestimmte, d. i. nur an sich oder unmittelbar bestimmte Begriff ebensosehr das Allgemeine.

Der Anfang wird im Sinne des unmittelbaren Seins aus der Anschauung und Wahrnehmung genommen, - der Anfang der analytischen Methode des endlichen Erkennens; im Sinn der Allgemeinheit ist er der Anfang der synthetischen Methode desselben. Da aber das Logische unmittelbar ebenso Allgemeines als Seiendes, ebenso von dem Begriffe sich Vorausgesetztes als unmittelbar er selbst ist, so ist sein Anfang ebenso synthetischer als analytischer Anfang.

Zusatz. Die philosophische Methode ist sowohl analytisch als auch synthetisch, jedoch nicht in dem Sinn eines bloßen Nebeneinander oder einer bloßen Abwechslung dieser beiden Methoden des endlichen Erkennens, sondern vielmehr so, daß sie dieselben als aufgehoben in sich enthält und demgemäß in einer jeden ihrer Bewegungen sich als analytisch und synthetisch zugleich verhält. Analytisch verfährt das philosophische Denken, insofern dasselbe seinen Gegenstand, die Idee, nur aufnimmt, dieselbe gewähren läßt und der Bewegung und Entwicklung derselben gleichsam nur zusieht. Das Philosophieren ist insofern ganz passiv. Ebenso ist dann aber das philosophische Denken synthetisch und erweist sich als die Tätigkeit des Begriffs selbst. Dazu aber gehört die Anstrengung, 8/390 die eigenen Einfälle und besonderen Meinungen, welche sich immer hervortun wollen, von sich abzuhalten.

§ 239

β) Der Fortgang ist das gesetzte Urteil der Idee. Das unmittelbare Allgemeine ist als der Begriff an sich die Dialektik, an ihm selbst seine Unmittelbarkeit und Allgemeinheit zu einem Momente herabzusetzen. Es ist damit das Negative des Anfangs oder das Erste in seiner Bestimmtheit gesetzt; es ist für eines, die Beziehung Unterschiedener, - Moment der Reflexion.

Dieser Fortgang ist ebensowohl analytisch, indem durch die immanente Dialektik nur das gesetzt wird, was im unmittelbaren Begriffe enthalten ist, - als synthetisch, weil in diesem Begriffe dieser Unterschied noch nicht gesetzt war.

Zusatz. Im Fortgang der Idee erweist der Anfang sich als das was er an sich ist, nämlich als das Gesetzte und Vermittelte und nicht als das Seiende und Unmittelbare. Nur für das selbst unmittelbare Bewußtsein ist die Natur das Anfängliche und Unmittelbare und der Geist das durch dieselbe Vermittelte. In der Tat aber ist die Natur das durch den Geist Gesetzte, und der Geist selbst ist es, der sich die Natur zu seiner Voraussetzung macht.

§ 240

Die abstrakte Form des Fortgangs ist im Sein ein Anderes und Übergehen in ein Anderes, im Wesen Scheinen in dem Entgegengesetzten, im Begriffe die Unterschiedenheit des Einzelnen von der Allgemeinheit, welche sich als solche in das von ihr Unterschiedene kontinuiert und als Identität mit ihm ist.

§ 241

In der zweiten Sphäre ist der zuerst an sich seiende Begriff zum Scheinen gekommen und ist so an sich schon die Idee. - Die Entwicklung dieser Sphäre wird Rückgang in die erste, wie die der ersten ein Übergang in die zweite ist; nur durch diese gedoppelte Bewegung erhält der Unterschied sein 8/391 Recht, indem jedes der beiden Unterschiedenen sich an ihm selbst betrachtet zur Totalität vollendet und darin sich zur Einheit mit dem anderen betätigt. Nur das Sichaufheben der Einseitigkeit beider an ihnen selbst läßt die Einheit nicht einseitig werden.

§ 242

Die zweite Sphäre entwickelt die Beziehung der Unterschiedenen zu dem, was sie zunächst ist, zum Widerspruche an ihr selbst - im unendlichen Progreß -, der sich γ) in das Ende auflöst, daß das Differente als das gesetzt wird, was es im Begriffe ist. Es ist das Negative des Ersten und als die Identität mit demselben die Negativität seiner selbst; hiermit die Einheit, in welcher diese beiden Ersten als ideelle und Momente, als aufgehobene, d. i. zugleich als aufbewahrte sind. Der Begriff, so von seinem Ansichsein vermittels seiner Differenz und deren Aufheben sich mit sich selbst zusammenschließend, ist der realisierte Begriff, d. i. der Begriff, das Gesetztsein seiner Bestimmungen in seinem Fürsichsein enthaltend, - die Idee, für welche zugleich als absolut Erstes (in der Methode) dies Ende nur das Verschwinden des Scheins ist, als ob der Anfang ein Unmittelbares und sie ein Resultat wäre; - das Erkennen, daß die Idee die eine Totalität ist.

§ 243

Die Methode ist auf diese Weise nicht äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, insofern die Momente des Begriffs auch an ihnen selbst in ihrer Bestimmtheit dazu kommen, als die Totalität des Begriffs zu erscheinen. Indem diese Bestimmtheit oder der Inhalt sich mit der Form zur Idee zurückführt, so stellt sich diese als systematische Totalität dar, welche nur eine Idee ist, deren besondere Momente ebensowohl an sich dieselbe sind, als sie durch die Dialektik des Begriffs das einfache Fürsichsein der Idee hervorbringen. - Die Wissenschaft schließt auf diese Weise damit, den Begriff ihrer selbst zu fassen, als der reinen Idee, für welche die Idee ist. 8/392

§ 244

Die Idee, welche für sich ist, nach dieser ihrer Einheit mit sich betrachtet, ist sie Anschauen; und die anschauende Idee Natur. Als Anschauen aber ist die Idee in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarkeit oder Negation durch äußerliche Reflexion gesetzt. Die absolute Freiheit der Idee aber ist, daß sie nicht bloß ins Leben übergeht, noch als endliches Erkennen dasselbe in sich scheinen läßt, sondern in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließt, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseins, die unmittelbare Idee als ihren Widerschein, sich als Natur frei aus sich zu entlassen.

Zusatz. Wir sind jetzt zum Begriff der Idee, mit welcher wir angefangen haben, zurückgekehrt. Zugleich ist diese Rückkehr zum Anfang ein Fortgang. Das, womit wir anfingen, war das Sein, das abstrakte Sein, und nunmehr haben wir die Idee als Sein; diese seiende Idee aber ist die Natur. 8/393